Einen Moment...

Demokratie ist geil

homo.net Info vom 30. September 2021
von Webmaster Jan

 

In Berlin wird viel zu selten gewählt, als dass eine rot-rot-grüne Verwaltung so etwas routinemäßig erledigen könnte. Ein gescheiterter Staat (failed state) ist eine Regierung, die nicht mehr in der Lage ist, grundlegende Funktionen und Verantwortlichkeiten zu erfüllen. Wie gut, dass es gesetzlich geregelt ist, dass alle, die um 18.00 Uhr vor dem Wahllokal warten, noch wählen dürfen. Gesetze können wir Deutschen einfach. Im Schlangestehen sind wir Weltmeister der Disziplin, historisch im Osten noch besser.

Wir sollten mehr auf Estland schauen. Dort haben die Wähler seit 2005 die Möglichkeit, per Internet zu wählen. Sie identifizieren sich mittels ihres digitalen Ausweises, den es in Estland seit 2001 gibt. Das i-Voting dauert drei Minuten. Steuererklärungen dauern länger. Aber in etwa 5 Minuten sind auch sie erledigt, mit ein paar Klicks auf dem Handy. Die Rückerstattung ist in wenigen Tagen auf dem Konto.

Wir Deutschen wollen das nicht. Das ist uns viel zu unsicher und der Staat sammelt sowieso schon zu viele Daten. Bei google und facebook ist uns das egal. Internet birgt Risiken. Das merkten die Esten zwei Jahre nach der Einführung ihrer Onlinewahl. Es gelang Hackern damals, die Webseiten ihrer digitalen Verwaltung lahmzulegen. Daten wurden nicht gestohlen, so unsicher waren die Regierungsserver dann doch nicht. Seither schützt sie die Regierung durch neue Technologien. Jetzt ist sie Weltmeister für Cybersicherheit.

Die Nachteile der estländischen Internetversessenheit liegen auf der Hand. Lange Wartezeiten bei Behörden gibt es in Estland nicht, denn Verwaltungsangelegenheiten können zu 99 % online erledigt werden. 80 % der Staatsdiener verloren dadurch ihren Job. Auch vor Schulen machte das Internet nicht halt. Schulbücher und Lehrmaterialien sind allzeit auf dem neuesten Stand. Sie liegen vollständig digitalisiert im e-Ranzen. Die Grünen müsste das eigentlich freuen. Erspart es doch vielen freundlichen Bäumen den Tot für Papier.

Für Kinder ist das nicht gut. Sie lernen zu viel. In der PISA-Studie liegt Estland auf Platz 1 in Europa. Nur die Chinesen und die paar Schüler in Singapur büffeln noch mehr. Könnte es daran liegen, dass auch Singapur vollständig digitalisiert ist und in China die staatliche Corona-App nach wenigen Wochen zu gut funktioniert?

Wenn 80 % der Beamten gehen müssen, Arbeiter keine Schulbücher mehr drucken dürfen und dieses schwere Los mit vielen Angestellten aus fast allen Bereichen der Wirtschaft teilen, geht die Arbeitslosenquote durch die Decke. Ganz so hoch wie in Deutschland ist sie in Estland nicht. Das muss daran liegen, dass das Land viel kleiner ist und kälter und karger. Mit sinkender Arbeitslosenquote stiegen dort die Löhne. Das muss in Deutschland jedenfalls verhindert werden, denn nur mit Dumpinglöhnen sind wir konkurrenzfähig auf den Weltmärkten, nachdem wir es technologisch schon lange nicht mehr drauf haben.

Um so mehr freuen wir uns, dass die Leiterin der Berliner Wahl umgehend wegen Unfähigkeit zurückgetreten ist. Dr. ade Franziska Giffey (43, SPD) ist als Ministerin auch zurückgetreten, wegen Betrugs bei ihrer Doktorarbeit. Dafür wurde sie jetzt von den Berlinern zur Bürgermeisterin gewählt, auch noch nach 18.00 Uhr. Na, dann brauchen wir uns um die Zukunft der Wahlleiterin wohl auch keine Sorgen zu machen.

In der Schweiz klappen Wahlen besser. Die üben mehr und stimmen alle paar Monate ab, letzten Sonntag über die Ehe für alle. Die entsprechende Änderung im Zivilgesetzbuch schaffte die letzte Hürde deutlich: Die Vorlage erreichte eine Mehrheit von 64,1 %. In keinem Kanton wurde sie abgelehnt. In Großstädten lag die Zustimmung bei bis zu 74 %. Schlusslicht ist der Kanton Appenzell mit knappen 50,8 %. Dafür ist ihr Käse berühmter.

Acht Jahre haben die Schweizer Parlamentarier an dem schönen neuen Ehegesetz gewerkelt. Als sie endlich fertig waren, begehrten die Unbelehrbaren und Religiösen im Volk noch einmal auf und erzwangen eine Volksabstimmung. Sie sehen besonders das Kindeswohl in Gefahr. Für sie war der letzte Sonntag ein schwarzer Tag für die heiligen Familien und ihre Kinder. Insbesondere stört sie an der Vorlage gesetzlich zugelassene Samenspenden für lesbische Paare. Die brauchen dann nicht mehr ins Ausland fahren, um ihren unstillbaren Kinderwunsch zu befriedigen. Dies ebene das Terrain für ein fatales Gesellschaftsexperiment und führe zu gesetzlich geförderter Vaterlosigkeit.

Selten habe ich so einen Blödsinn gelesen. Noch schlimmer ist es bei schwulen Regenbogenfamilien. Da wachsen Kinder mutterseelenallein auf. Trotz der Niederlage wollen viele Kirchen ihren Widerstand nicht aufgeben. Kirchliche Heirat sei weiterhin ausgeschlossen. Schwule Bindungen segnen komme nicht infrage. Die könnten nur den allgemeinen Segen bekommen, den Segen für alle. Den gibt es schon, auch in der Schweiz. Ihnen zum Trotz wird die Ehe für alle am 1. Juli 2022 auch in der Schweiz in Kraft treten.

Gut Ding will Weile haben. Das Schweizer Gesetz geht viel weiter als das derzeitige deutsche Recht. Mit dem Gang zum Standesamt erhalten gleichgeschlechtliche Paare künftig das Recht, gemeinsam Kinder zu adoptieren, den ausländischen Partner einzubürgern sowie den rechtlichen Zugang zu Samenbanken für lesbische Paare. Auch die Rechtssicherheit für Regenbogenkinder verbessert sich. Die Elternschaft des nicht biologischen Elternteils wird ab der Geburt anerkannt.

Die Deutschen waren 2017 etwas früher dran, hatten aber 22 Jahre länger gestritten. Zum Schluss wollten satte 82 % der nicht parlamentarischen Bundesbürger die schwule Gleichberechtigung. Unsere Volksvertreter haben damals mieser abgestimmt als jetzt die Schweizer. Nur 393 Abgeordnete stimmten mit Ja, 62 % der Abgeordneten. 20 % des Volkes wurde da wohl falsch repräsentiert. Damals hatte der Bundestag 631 Mitglieder, nur 33 mehr als vorgesehen. Heute hat er 709 und in weniger als einem Monat wird er 735 Mitglieder haben. Dieser Zuwachs an Demokratie ist zwar teuer und wird mit Geld bezahlt, was der Staat nicht hat. Aber das sollte uns die Demokratie allemal Wert sein. Denn Demokratie ist geil.

Es bleibt dem Volke abzuwägen. Auch Geiz ist geil. Wären weniger Parlamentarier möglicherweise geiler? Der Blick auf Estland lässt das stark vermuten.

Packen wir‘s an
Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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