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Lysis

- Sokrates erzählt -

von Platon

 

A. Einleitung

1. Die Verliebtheit des Hippothales

Ich ging von der Akademia grade nach dem Lykeion den Weg außerhalb der Mauer dicht unter der Mauer hin. Als ich aber an dem Pförtchen war, wo die Quelle des Panops ist, da traf ich den Hippothales, des Hieronymos Sohn, und den Paianier Ktesippos, und mehr andere Jünglinge um sie her gedrängt stehend. Und als Hippothales mich herankommen sah, rief er mich an: Wohin gehst du, o Sokrates, und woher?

Aus der Akademia, sprach ich, gehe ich gerade nach dem Lykeion.

Hieher also, sprach er, zu uns lenkst du nicht ein? es lohnt doch.

Wohin eigentlich, fragte ich, meinst du? und wer sind die hier?

Hieher, sprach er und zeigte mir der Mauer gegenüber einen eingeschlossenen Platz mit offener Tür; hier halten nicht nur wir uns auf, sondern noch viel andere Schöne.

Was ist aber dieses? und was treibt ihr dort?

Es ist, sagte er, eine ganz neugebaute Palaistra, und meistenteils besteht die Beschäftigung in Gesprächen, von welchen eben wir dir gern mitteilten.

Sehr wohl, sprach ich, werdet ihr daran tun. Aber wer lehrt hier?

Von dir, sagte er, ein großer Freund und Verehrer, Mikkos.

Beim Zeus, sprach ich, kein schlechter Mann, sondern ein tüchtiger Sophist.

Willst du uns also folgen, sagte er, daß du auch die sehest, welche drinnen sind?

Gern möchte ich hier erst vernehmen, was mir dann werden soll für das Hineingehn, und wer eigentlich der Schöne ist.

Einer von uns, sagte er, hält diesen dafür, der andere jenen.

Welchen denn aber du, o Hippothales? Das sage mir. Auf diese Frage errötete er, und ich sprach weiter, O Sohn des Hieronymus, das darfst du mir nun nicht mehr sagen, ob du einen liebst oder nicht; denn ich sehe nicht allein, daß du liebst, sondern auch daß es schon weit mit dir gekommen ist in dieser Liebe. Übrigens wohl mag ich schlecht sein und wenig nutz; dieses aber ist mir so von Gott verliehen, daß ich gleich erkennen kann Liebende sowohl als Geliebte.

Als er dieses hörte, errötete er noch mehr. Ktesippos aber sagte: Das ist fein, Hippothales, daß du rot wirst, und dich weigerst dem Sokrates den Namen zu sagen, da er doch, wenn er nur kurze Zeit mit dir ist, sich fast tot wird daran hören müssen, wie oft du ihn nennst! Uns wenigstens, o Sokrates, hat er die Ohren schon ganz betäubt und angefüllt mit dem Lysis. Und hat er gar ein wenig getrunken, so ist es uns ganz gewohnt, daß wir auch beim Erwachen aus dem Schlafe noch glauben den Namen des Lysis zu hören. Doch was er so gesprächsweise arges vorbringt, ist noch nicht gar arg: aber wenn er erst anfängt uns mit den Gedichten zu überschwemmen und mit den Reden! Ja was noch ärger ist als alles, so singt er auch auf seinen Geliebten mit wundervoller Stimme, die wir geduldig anhören müssen. Nun aber von dir befragt errötet er nur.

Dieser Lysis, sprach ich, ist also einer von den Heranwachsenden, wie es scheint. Ich schließe es nämlich nur, denn der Name fiel mir nicht auf als ein bekannter, da ich ihn hörte.

Sie nennen ihn eben nicht oft bei seinem Namen, antwortete er, sondern er wird noch nach dem Vater genannt, weil sein Vater sehr bekannt ist. Auch bin ich gewiß, daß der Knabe dir keinesweges unbekannt ist von Gestalt, und an der allein kann man ihn genug wieder erkennen.

So sage denn, sprach ich, wem er angehört.

Es ist des Demokrates von Aixone ältester Sohn.

Schön, sprach ich, o Hippothales! welche edle und in jeder Art herrliche Liebe hast du dir da ausgespürt! So komm denn und laß mich alles hören, was du diesen zu hören gibst, damit ich sehe, ob du auch weißt, wie dem Verliebten gezieme über seinen Liebling zu diesem selbst und auch zu Andern zu reden.

Und darauf, sagte er, gibst du etwas, o Sokrates, was der da sagt?

Willst du etwa, sprach ich, auch läugnen, daß du den nicht liebst, den dieser nennt?

Das nicht, sprach er, aber daß ich weder Gedichte mache auf meinen Liebling noch Reden.

Es ist eben nicht richtig mit ihm, sagte Ktesippos, sondern er faselt und redet irre.

 

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