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Lysis

- Sokrates erzählt -

von Platon

 

B. Hauptteil: 3. Überprüfung der Ansichten der Dichter und Philosophen

c) Auch das Entgegengesetzte ist nicht einander freund

Sieh also zu, o Lysis, wie wir übel ankommen! Werden wir auch etwa um ein Ganzes dabei betrogen?

Wie so, sprach er.

Ich habe schon irgendwann einen sagen gehört und erinnere mich dessen itzo, daß das Ähnliche dem Ähnlichen, also auch der Gute dem Guten am meisten feind wäre. Ja auch den Hesiodos führte er zum Zeugen an, sagend, daß ja auch ein Töpfer ist feind dem anderen, Sängern dem Sänger, Bettlern dem Bettler sogar. Und von allem andern zeigte er auf gleiche Weise, daß notwendig das Ähnlichste am meisten mit Neide, Streit und Feindschaft gegen einander erfüllt sein müsse, das Unähnlichste aber mit Freundschaft. Denn dem Reichen sei der Arme genötiget Freund zu sein, und dem Starken der Schwache des Beistandes wegen, und dem Arzt der Kranke, und jeder Unkundige müsse sich anhängen an den Kundigen und ihn lieben. Ja auch noch weiter führte er den Satz aus in einem höheren Sinne behauptend, daß weit gefehlt das Ähnliche sei dem Ähnlichen freund, vielmehr das Gegenteil hievon sich zeige, und das Entgegengesetzte dem Entgegengesetzten am meisten freund sei. Denn dessen begehre ein Jedes, nicht aber des Ähnlichen, das Trockne nämlich des Feuchten, das Kalte des Warmen, das Bittre des Süßen, das Scharfe des Stumpfen, das Leere der Erfüllung und das Volle der Ausleerung, und so alles Andere auf dieselbige Weise. Denn jedes Gegenteil sei Nahrung für sein Gegenteil, von dem Ähnlichen aber habe das Ähnliche gar keinen Genuß. Und zwar, o Freund, dünkte er sich recht wichtig, da er dieses sagte; denn er sprach sehr gut. Euch aber, sprach ich, wie gefällt seine Rede?

Sehr gut, sagte Menexenos, soviel man so hören kann.

Wollen wir also annehmen, daß jedem sein Entgegengesetztes auch am meisten freund ist?

Das wollen wir.

Wohl, sprach ich, ist es auch nicht ungereimt, Menexenos? Und werden nicht voller Freuden sogleich die hochweisen streitkundigen Männer auf uns losgesprungen kommen und uns fragen, ob nicht der stärkste Gegensatz zur Feindschaft die Freundschaft wäre? Was nun sollen wir diesen antworten? Oder müssen wir nicht notwendig zugeben, es sei wahr was sie sagen?

Notwendig.

Ist also, werden sie sagen, Feindschaft der Freundschaft freund oder Freundschaft der Feindschaft?

Keines von beiden, sprach er.

Aber doch das Recht um Unrecht oder das Besonnene dem Unbändigen oder das Gute dem Bösen?

Mir scheint es nicht sich so zu verhalten.

Dennoch aber, sagte ich, wenn der Entgegensetzung wegen eins dem andern freund wird, müssen auch diese freund sein.

Notwendig.

Weder also ist das Ähnliche dem Ähnlichen freund noch das Entgegengesetzte dem Entgegengesetzten.

Es läßt sich nicht so an.

 

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