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Warmes Singapur
homo.net Info vom 5. Dezember 2019
von Webmaster Jan
Ein Gesetz sträubt sich hartnäckig gegen Veränderungen. Es stammt aus einem indischen Strafgesetzbuch des 19. Jahrhunderts. 1938 wurde es von britischen Kolonialisten auch in Singapur eingeführt. Es hat nicht nur das britische Imperium sondern auch die Geburt einer unabhängigen Nation unbeschadet überstanden. Bis ins 21. Jahrhundert hinein sorgt es für Streit.
Die Rede ist von § 377A des Strafgesetzbuchs von Singapur, das noch immer sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellt. Auch wenn der Paragraph derzeit nicht mehr angewandt wird, diskriminiert er doch die betroffenen, schwulen Männer. Singapur ist eine der wenigen verbliebenen ehemaligen britischen Kolonien, die bis heute an dieser archaischen Unterdrückung festhält.
Indien hat im letzten Jahr das Gesetz mit großem Erfolg abgeschafft. Im Stadtstaat Singapur wird es zwar nicht mehr durchsetzt, aber Aktivisten für schwule Rechte argumentieren, dass seine Symbolik sozial ächtend sei, Diskriminierung fördere und den Grundsatz der Gleichheit untergrabe.
Jetzt machen schwule Aktivisten Druck. Gleichzeitig mit drei Gerichtsverfahren fordern sie nicht nur Richter und Gesetzgeber sondern auch die öffentliche Meinung heraus.
Der Fall 1: Kürzlich erst freigegebenes historisches Material belege, das ursprüngliche Ziel des Gesetztes sei gewesen, männliche Prostitution einzudämmen. Der gesetzgeberische Zweck bestand nie darin, private, nicht kommerzielle, sexuelle Intimität zwischen männlichen Erwachsenen zu verfolgen. Pikanterweise wird ausgerechnet Sex mit Penetration von dem § 377A nicht kriminalisiert.
Der Fall 2: Wissenschaftliche Untersuchungen hätten bewiesen, dass Menschen ihre sexuelle Orientierung nicht willentlich ändern könnten. Kläger und Experten der Regierung seien sich einig, dass im Wesentlichen Gene für die sexuelle Orientierung verantwortlich seien. Es gäbe keine wissenschaftlich haltbaren Beweise, dass soziale Umweltfaktoren bei der sexuellen Orientierung eine wesentliche Rolle spielten. Auch Therapien zur Änderung der sexuellen Orientierung seien nicht wirksam.
Der Fall 3: Alle schwulen und bisexuellen Männer seien gemäß einem Abschnitt der Strafprozessordnung verpflichtet, ihre einvernehmlichen, privaten, sexuellen Handlungen der Polizei zu melden. Dies sei unvereinbar mit der so genannten nicht proaktiven Durchsetzung von § 377A, was zu einer absurden und willkürlichen Anwendung des Gesetzes führe.
Das Versäumnis, eine Straftat gemäß § 377A zu melden, sei nach dem Gesetz strafbar. Die Aufrechterhaltung der Straftat würde schwule und bisexuelle Männer doppelt kriminalisieren, da sie eine Straftat begingen und diese nicht melden würden. Das Recht auf Gleichheit, Leben, persönliche Freiheit und Meinungsäußerung gemäß der Verfassung von Singapur sei so verletzt.
Die Generalstaatsanwälte Singapurs dagegen verteidigen das Schandgesetz aus dem 19. Jahrhundert. Es fördere ein legitimes und angemessenes staatliches Interesse. Es spiegele gesellschaftlichen Moral wider, unabhängig davon, ob und wie es durchgesetzt würde. Sie forderten das Oberste Gericht nachdrücklich auf, § 377A für verfassungsmäßig zu erklären und alle drei Anträge zurückzuweisen.
Diese zutiefst spaltende gesellschaftspolitische Angelegenheit sei nicht vom obersten Gericht zu entscheiden sondern nur vom Gesetzgeber oder dem Parlament.
Recht haben alle drei Kläger allemal. Aber werden sie auch Recht bekommen? Wir sind gespannt. Denn als die Klagen eingereicht wurden, berichtete die Presse weltweit vom Beginn der Prozesse. Schon vom Verlauf der Verfahren hörte man fast nichts mehr. Und auf die Urteile müssen die Schwulen in Singapur und wir wohl noch monatelang warten.
Auch die öffentliche Meinung lebt in Singapur noch weit hinterm Berg. Bei regelmäßigen Umfragen wird Homosexualität zwar deutlich mehr akzeptiert als früher, aber im letzten Jahr hielten noch immer 60% der 4.000 Befragten schwule Ehen für falsch. Dabei wäre der Bedarf groß. Die wenigen existierenden schwulen Bars und Clubs von Singapur, sowie die Sauna und eine Gay Disko sind gut besucht und am Wochenende brechend voll.
Wohl noch länger vergeblich hoffend,
Jan
Webmaster
vom homo.net Team