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Hetero ist derzeit unmodern

homo.net Info vom 20. Februar 2020
von Webmaster Jan

 

„Ist die CDU modern genug für einen schwulen Kanzler?“ Die Bildzeitung wollte es genau wissen und fragte nach, „Was Parteikollegen und Politik-Forscher sagen“.

Der darauf folgende Sturm der Entrüstung in den Sozialen Medien ist verständlich. Die Titelgeschichte wurde besonders wegen der plumpen Fragestellung kritisiert. Seit wann ist schwul eine Mode? War es vor 15 Jahre modern eine Frau zu sein? Als Obama Präsident wurde, war da der moderne Ami gerade schwarz?

Trefflich merkte der deutsch-ghanaische Ex-Fußballnationalspieler Hans Sarpei über die Schlagzeile sarkastisch an: „Nächste Folge: Warum nicht mal ein Neger?“ Und der Werbetexter Peter Breuer ergänzte süffisant: „Homosexualität ist bekanntlich erst seit wenigen Jahren ‚modern‘. Gerade eine Partei wie die CDU sollte sehr genau beobachten, ob sich dieser Trend langfristig durchsetzt oder nur ein Strohfeuer wie der Leoparden-Print oder die Plateau-Sandale ist.“

Jens Spahn (40, CDU) lebt in Berlin offen schwul mit seinem Ehemann Daniel Funke (38). Viele seiner Initiativen helfen besonders auch Schwulen. Zuletzt setzte er durch, das PrEP von den Krankenkassen bezahlt wird. Aktuell arbeitet er am Verbot von Konversionstherapien, die Homosexualität als Krankheit betrachten und Schwule „heilen“ sollen.

Ansonsten ist Spahn auf etlichen Gebieten extrem konservativ. Er setzt auf den starken Staat und will Zuwanderung begrenzen. Als ein Journalist ihn fragte: „Wäre es eine Pionierleistung, als erster schwuler Mann Bundeskanzler zu werden?“ konterte er mit einer Gegenfrage: „Wäre es eine Pionierleistung, wenn solche Kategorien keine Frage mehr wären?“

Deutschlands letzte verbliebene Volkspartei tut sich zumindest in Teilen immer noch schwer mit der Gleichstellung von Homosexuellen. Der konservative CDU Verein „WerteUnion e.V.“ plädiert nicht nur für die Wiedereinführung der Wehrpflicht sondern lehnt besonders auch die Gleichstellung der Geschlechter ab. Dabei sollte es heute völlig selbstverständlich sein, dass unterschiedliche Lebenssituationen und Interessen von Menschen aller Geschlechter bei allen Entscheidungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen berücksichtigt werden.

Und das nicht nur weil es ein erklärtes Ziel der Europäischen Union ist. Gleichstellung soll und muss in einer modernen Politik für alle im Volk durchgesetzt werden. Das gilt selbstverständlich nicht nur für Schwule, sondern auch für Frauen, Ausländer, Farbige, Behinderte, Dumme, Schlaue… Ja, Jens Spahn, auch Ausländer oder ehemalige solche gehören in Deutschland mit zum ganzen Volk.

In der Union sind überdurchschnittlich viele Mit(und ohne)glieder homophob. Aber es geht auch anders. Die LSU (Lesben und Schwule in der Union) versteht sich als LSBT Interessenvertretung. Sie will, dass alle, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität, als Mitglieder der Gesellschaft geschätzt und geachtet werden.

Polit-Professor Jürgen Falter von der Uni in Mainz erwartet mit seinen 76 Jahren, „dass es in konservativeren Kreisen und ländlichen Parteigliederungen schon ein gewisses Grummeln geben dürfte“, wenn die CDU einen schwulen Mann als Kanzlerkandidaten aufstellt.

Ex-Familienministerin Kristina Schröder (42) meinte dagegen „Natürlich“ sei die CDU für einen Homosexuellen als Parteichef reif und „erst recht für einen konservativen!“ Ex-Justizministerin Brigitte Zypries (66, SPD) und Renate Künast (64, Grüne) meldeten im Gespräch mit der Bildzeitung berechtigte Zweifel daran an.

Es ist ja nicht so, dass es in Deutschland bisher keine prominenten homosexuellen Politiker gegeben hätte:

Ole von Beust (64, CDU) war von 2001 bis 2010 offen schwuler Bürgermeister in Hamburg. Der meint heuer: „Wir leben im Jahr 2020, da sollte sich diese Frage doch bitte nicht mehr stellen. Es zählen Charakter und Qualität, alles andere ist bestenfalls Tratsch und Klischee, also unerheblich.“

Klaus „Wowi“ Wowereit (66, SPD) wurde in Berlin auch durch seine flotten Sprüche beliebt: „Ich bin schwul, und das ist auch gut so.“ Damals wurde er noch mit Attributen wie „Regierender Partymeister von Berlin“ verunglimpft. Seine sexuelle Orientierung dürfte dabei eine erhebliche Rolle gespielte haben. Man kennt ja das Klischee vom hedonistischen, schwulen Mann, dessen Lebensinhalt aus Sex, Partys und Sexpartys besteht. Na ja, Klischee hätte ich das jetzt nicht nennen sollen, dafür kenne ich mich auf homo.net zu gut aus. Aber wen geht unser Privatleben was an?

Seine Meinung zur aktuellen Lage der Nation: „Gott sei Dank ist heute die politische Situation so, dass die Frage der Lebensweise in Deutschland für Karrieren keine Rolle spielt.“ Auf möchte gern Kanzler Friedrich Merz (64, CDU) ist er nicht gut zu sprechen. Ihn greift er wegen homophoben Aussagen an und erinnert in der Sendung „Hart aber fair“ an die Reaktionen auf sein Coming-out 2001 mitten im Wahlkampf um das Bürgermeisteramt:

„Als ich gewählt wurde, hat Merz als erstes gesagt: Solange der Wowereit sich mir nicht nähert, ist mir das egal. Das war die Einstellung von Merz! Kann man nachlesen, in der ‚Bunten‘. Dann hat er noch eins drauf gelegt und gesagt: Der Wowereit macht mit seiner Homosexualität Wahlkampf. Das war Friedrich Merz im Jahr 2001. Hoffentlich hat er sich da geändert“. Wohl eher nicht, würde ich bestimmt vermuten.

Die scheidende Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer (58 ,CDU) war und ist sicherlich nie unsere Freundin gewesen. Vor ihrer Wahl sorgte sie für Kritik mit ihrer immer wieder bekräftigten Ablehnung der Ehe für alle. Nach der Wahl verglich sie Homosexualität gar mit Polygamie und Inzest. Von dieser unsinnigen Aussage hat sie sich nie distanziert. Auch Jens Spahn kritisierte das jetzt erneut, hat aber bei einer Vorstellung der Kandidaten vor Parteimitgliedern betont, dass eine Partei solche „unterschiedlichen Auffassungen“ aushalten könne. Jens, das kann ich nicht nachvollziehen. Solche Vergleiche sind nicht auszuhalten.

Auch die LSU forderte von der scheidenden CDU-Chefin ein klärendes Gespräch und eine Entschuldigung für ihre Büttenrede: Toiletten für intergeschlechtliche Menschen seien „für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür - dazwischen - ist diese Toilette.“ Damals wurden AKKs Worte mit einem Tusch und johlendem Gelächter im Publikum begrüßt. Da hätte ich mitgejohlt, denn bei den Jecken ist das erlaubt, auch ohne Entschuldigung. Viel bedenklich ist, dass AKK nach dem Karneval zwar das Putzfrauenkostüm abgelegt hat, nicht aber ihre auch so (un)saubere Gesinnung.

Tilman Kuban (32), Chef der Jungen Union, sagt ebenfalls: „Ob jemand Kanzler oder Parteivorsitzender werden kann, steht und fällt mit seiner Art, Menschen zu begeistern und politisch Dinge umzusetzen, aber nicht mit seiner sexuellen Orientierung.“

Last not least Meinungsforscher Hermann Binkert (55) hält das Thema für erledigt: „In allen Parteien gibt es profilierte homosexuelle Politiker.“

Nun kann man von Jens Spahn halten was man will. Eines kann man ihm aber sicher nicht absprechen: die Seriosität. Schon mit 22 Jahren holte Spahn ein Direktmandat für den Bundestag und kämpfte sich später gegen erhebliche Widerstände ins CDU-Präsidium. Als Gesundheitsminister attestieren ihm selbst Beobachter, die nicht im Verdacht stehen, CDU-nah zu sein, eine gute Arbeit, auch für die LGBT Gemeinschaft.

Jeder queere Staatschef trägt zur Normalisierung bei. Jede Person aus der LGBT Gemeinschaft, der die Bürger so sehr vertrauen, dass sie diesen Menschen an die Spitze ihres Landes wählen, trägt zur Normalisierung bei. Bis es irgendwann einmal tatsächlich keine Rolle mehr spielt, welchem Geschlecht jemand angehört und welches Geschlecht jemand liebt.

Bei einer Eurobarometer Umfrage von 2019 gaben immerhin 80 Prozent der Deutschen an, dass sie kein Problem mit einem LGBT Regierungschef hätten. Ob die CDU „modern“ genug für dieses Volk ist?

Man kann es nur hoffen,
Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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