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Rosas 50 Jahre Freiheit

homo.net Info vom 1. Juli 2021
von Webmaster Jan

 

„Nicht der Schwule ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt - oder Das Glück auf der Toilette“ wurde vor nunmehr 50 Jahren uraufgeführt, am 3. Juli 1971 auf der Berlinale in Berlin. Der damals schon recht bekannte Filmemacher Rosa von Praunheim (78) schrieb im Auftrag des WDR ein konventionelles Skript und drehte ohne Ton in Berlin mit vielen Freunden.

Erst später schrieb er zusammen mit dem Sexualwissenschaftler Martin Dannecker (78) die provozierenden sozialkritischen Texte, die über den Stummfilm gelegt wurden. Der in pathetischer Tuntenstimme gesprochene Kommentar begann mit dem Satz „Schwule wollen nicht schwul sein!“ Er endete mit dem Aufruf:

Raus aus den Toiletten, rein in die Straßen!
FREIHEIT FÜR DIE SCHWULEN!

Über 90-mal kamen die Worte „schwul“ und „Schwuler“ im Kommentar vor, damals ein zutiefst abwertender Begriff. Besonders auch durch diesen Film wurde er zum Geusenwort. Heute sind wir stolz darauf, schwul zu sein.

Damals war der Skandal gewaltig. Die Schwulen waren entsetzt, weil sie nicht wie erwartet mit Samthandschuhen angefasst wurden. Sie wurden wegen ihrer Passivität, Feigheit und unpolitischen Haltung laut beschimpft. Die Bürgerlichen waren entsetzt, denn der Film zeigte in Großaufnahme einen intensiven Zungenkuss unter Männern und nackte Männer im Bett, die hautnah vorführen, „wie schön es sein kann, wenn sich zwei Männer lieben“.

Zwei Jahre nach Stonewall hatte die schwule Befreiungsbewegung Deutschland erreicht. Viele, die sich damals engagierten, glaubten an eine Weltrevolution, an die sexuelle Befreiung im ganz großen Stil. Sie riefen zur Solidarität mit allen Minderheiten auf, sie wollten gemeinsam mit der Frauenbewegung kämpfen. Viel Zuspruch kam von linken schwulen Studenten, die in anderen linken Gruppen als Schwule nicht anerkannt wurden.

Ganz frisch waren damals erst die neuen Freiheiten. Praktizierte männliche Homosexualität unter Erwachsenen war erst seit 1. September 1969 nicht mehr strafbar. Die Wirkung, die der Film damals hatte, ist heute kaum noch nachzuvollziehen. Kurz nach den Studentenunruhen war die Öffentlichkeit für Provokationen einerseits offener geworden, andererseits war das Tabu der Homosexualität durchaus noch virulent.

Das Fernsehen verbot die Ausstrahlung des Films zuerst. Der WDR zeigte ihn erst Anfang 1972 im Dritten Programm zu ganz später Stunde. Die Telefonzentrale des WDR erhielt vorsorglich Verstärkung, die Telefone läuteten wie erwartet Sturm. 95 % der Anrufe waren negativ. Die meisten Anrufer wollten nichts mit Homosexuellen zu tun haben.

Erst im Januar 1973 wurde der Film bundesweit im ARD-Hauptprogramm gezeigt. Nur Bayern machte nicht mit, ein weiterer Skandal, der dem Film noch mehr Popularität sicherte. Der Höhepunkt der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Homosexualität in der Bundesrepublik war erreicht.

Die Wirkung des Films war beeindruckend. Zwischen 1971 und 1973 kam es zur Gründung von insgesamt 70 schwulen Gruppen, davon 55 mit einem allgemeinen Vertretungsanspruch, viele davon mit Bezug auf den Praunheim-Film. Das Tabu war gebrochen.

Stolz darauf, schwul zu sein
Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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