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Einfache schwule Geschichte

homo.net Info vom 4. Februar 2021
von Webmaster Jan

 

Der israelische Historiker Yuval Noah Harari (44) ist nicht nur Wissenschaftler, sondern auch gefeierter Schriftsteller, Homosexueller, Ehemann und jetzt auch noch Comic Autor. Wenn er Geschichte erzählt, ist das nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern im höchsten Maße überlegt, durchdacht und auf den Punkt gebracht.

Da wird Geschichte zum Erlebnis, werden fundamentale Wahrheiten so lange überprüft, analysiert, durchdacht und schließlich brillant einfach formuliert, bis auch der größte Fake News Fan von ihnen überzeugt sein müsste - wäre da nicht der Glaube. Denn der Glaube kann bekanntlich Berge versetzen. Wahrheit gelingt das eher selten.

Um so faszinierender ist es, zu erleben, wie dieser überragende Geschichte-Erzähler unserer Zeit Fragen zu seiner eigenen Homosexualität beantwortet.

Menschen denken in Geschichten. Wissenschaft erklärt. Selbstverständlich beeinflusst die Tatsache, das Yuval Harari schwul ist, seine wissenschaftliche Arbeit. „Als schwuler Mann ist es wichtig, den Unterschied zwischen den von Menschen erfundenen Geschichten und der Wirklichkeit zu erkennen.“ Gleiches gilt auch für die wissenschaftliche Forschung.

„Als ich jung war, wurde mir erklärt, dass sich alle Jungs von Mädchen angezogen fühlen. Das habe ich geglaubt. Ich habe lange gebraucht, um zu erkennen, dass das nur eine von Menschen erfundene Geschichte ist. In der Realität lieben einige Jungs andere Jungs, und ich bin einer von denen, bei dem das so ist.“

Es besteht große Weisheit darin, die Realität so zu akzeptieren, wie sie ist, selbst wenn es den Geschichten widerspricht, welche die meisten Menschen glauben. Viele Menschen sagen, da sei ein großer alter Mann mit grauem Bart im Himmel, der wird sehr wütend, wenn zwei Männer sich lieben. Aber das ist nur eine andere - von Menschen erfundene - Geschichte. Wenn sich zwei Männer lieben und sie niemandem schaden, was könnte daran falsch sein? Kein alter Mann im Himmel wird darüber wütend. Wütend werden lediglich alle Arten von Priestern und Rabbinern.

„Akademische Forschung basiert auf genau der gleichen Einsicht. Als Wissenschaftler frage ich mich ständig: Was ist Realität? Vergiss alle Geschichten, die Menschen über die Welt erfunden haben. Was ist die Wahrheit der Welt? Als schwuler Mann habe ich gelernt, wenn die Realität mit den Geschichten kollidiert, die sich Leute erzählen, ist es am besten, der Realität zu glauben. Ich denke, diese Lektion hat mich zu einem viel besseren Wissenschaftler gemacht.“

Seine wissenschaftliche Forschung hat Yuval Harari geholfen, seine Sexualität zu akzeptieren, wie sie ist. „Menschen sagen oft, schwul zu sein sei unnatürlich, die Natur wolle, dass Männer Frauen lieben. Und Schwule brechen die Naturgesetze. Wissenschaftliche Forschung sagt mir, das ist völliger Unsinn. Es gibt kein unnatürliches Verhalten. Alles, was existiert, ist definitiv auch natürlich.“

Menschen können Naturgesetze nicht brechen. Naturgesetze sind nicht wie Verkehrsgesetze. Im Verkehr schreibt das Gesetz vor, du kannst in geschlossenen Ortschaften nicht schneller als 50 Kilometer pro Stunde fahren. Dann brechen Leute das Gesetz und fahren mit 80 Sachen durch die Stadt, ein Polizist hält sie an und verpasst ihnen ein Knöllchen.

Die Naturgesetze sagen, du kannst dich nicht schneller bewegen als das Licht. Wenn du jetzt zweimal so schnell wie das Licht fährst, heißt das nicht, dass ein galaktischer Polizist dich anhält und dir ein Knöllchen gibt. Es ist einfach unmöglich, sich so schnell zu bewegen. Wenn es einem Etwas irgendwie gelänge, schneller als das Licht zu sein, bedeutet es nur, dass wir wahrscheinlich die wahren Naturgesetze bisher nicht richtig verstanden haben.

Wenn etwas existiert, ist es per Definition natürlich. Wenn zwei Männer sich lieben, heißt das, es ist natürlich. Kein Naturgesetz verbietet es. Tatsache ist, Homosexualität ist recht häufig unter vielen Tieren, nicht nur unter Menschen. Zum Beispiel bei unseren engsten Verwandten in der Natur, den Schimpansen, ist Homosexualität durchaus üblich. Die meisten sexuellen Aktivitäten führen Schimpansen nicht aus, um kleine Schimpansenbabys zu zeugen. Vielmehr nutzen Schimpansen Sex, um politische Allianzen zu festigen, Intimität herzustellen und Spannungen abzubauen.

Daran ist nichts unnatürlich. Die Idee, dass Sex nur zum Zwecke der Fortpflanzung existiert, ist vollständiger Blödsinn, erfunden von Priestern und Rabbinern. In Wahrheit sind unsere Konzepte, was natürlich und was unnatürlich ist, nicht aus der Biologie. Sie stammen aus der christlichen Theologie.

Das Natürliche in der Theologie deckt sich mit den Absichten der Götter, welche die Natur geschaffen haben. Christliche Theologen argumentieren, dass Gott den menschlichen Körper so geschaffen habe, dass jedes Glied und Organ einem bestimmten Zweck diene. Verwenden wir unsere Glieder und Organe für den von Gott vorgesehenen Zweck, ist dies eine natürliche Aktivität. Sie anders zu benutzen, als von Gott beabsichtigt, ist unnatürlich. Aber all das ist Mythologie. Gott hat den Menschen und die anderen Tiere nicht erschaffen. Sie entwickelten sich durch natürliche Auslese.

Evolution verfolgt keinen Zweck. Organe haben sich nicht zu einem bestimmten Zweck entwickelt. Die Art und Weise, wie Organe von Menschen und Tieren verwendet werden, ist ständig im Fluss. Es gibt wohl kaum ein Organ im menschlichen Körper, das nur genau die Arbeit leistet, die sein Prototyp geleistet hat, als der vor Hunderten von Millionen Jahren zum ersten Mal erschien.

Organe entwickeln sich, um bestimmte Funktionen zu erfüllen. Aber wenn sie einmal existieren, ist es völlig natürlich, sie für andere Anwendungen zu adaptieren. Federn erschienen zuerst, um sehr frühe Reptilien warm zu halten. Jetzt fliegen Vögel damit. Ist das unnatürlich? Finger erschienen, um unseren Vorfahren beim Bäumeklettern zu helfen. Jetzt spielen wir damit Klavier. Ist das unnatürlich? Münder erschienen zur Nahrungsaufnahme. Jetzt benutzen wir sie, um zu sprechen und zu küssen. Ist das unnatürlich? In ähnlicher Art und Weise diente Sex anfangs der Fortpflanzung. Aber jetzt benutzen wir ihn, um Intimität, Freundschaft und Beziehungen aufzubauen. Ist daran etwas Unnatürliches?

Zu Menschen, die gegen schwule Paraden sind, wegen der dort oft gezeigten Nacktheit und offenen Sexualität, sagt Yuval Harari: „Nun, im Laufe der Geschichte hat Nacktheit nur sehr wenige Menschen getötet. Aber religiöse Fanatiker haben Millionen getötet. Bevor wir uns also zu sehr um Nacktheit auf schwulen Paraden sorgen, sollten wir uns besser über religiöse Extreme Sorgen machen.“

Wo er recht hat, müssen alle Recht bekommen
Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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