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Liebe lernen

homo.net Info vom 10. Januar 2019
von Webmaster Jan

 

„Sexuelle Erziehung war nie nötiger als in unserer von Sex gegerbten Epoche“, behauptete die Fernsehsendung REPORT 1966. Es waren die ersten Versuche, Kinder und Eltern aus ihrer Gehemmtheit zu befreien. Der Beginn der Sexualkunde in Deutschland.

1969 kam der Sexualkunde-Atlas für die Schulen. Er sollte die Jungendlichen schön anständig aufklären. Das behördliche Machwerk erinnerte aber eher an eine Betriebsanleitung für Kühlschränke.

Zwischen 1968 und 1972 produzierte Oswalt Kolle seine unvergessenen Aufklärungsfilme. Bevor sein erster Film „Das Wunder der Liebe“ für die Kinos in Deutschland freigegeben wurde, musste Kolle tagelang mit Zensoren der Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) verhandeln. Dabei äußerte einer der Zensoren den in der Folgezeit berühmt werdenden Satz: „Herr Kolle, Sie wollen wohl die ganze Welt auf den Kopf stellen. Jetzt soll sogar die Frau oben liegen!“

Und Bravo gab der Nation den Rest: Jugendliche wurden von Dr. Sommer sogar über Homosexualität aufgeklärt. Die ewig konservativen der Nation schäumten. Das Dr. Sommer-Prinzip wurde 1969 von dem Arzt und Psychotherapeuten Martin Goldstein erfunden. Es ist auch heute noch ein viel genutztes Forum. Inzwischen natürlich online.

Vor 50 Jahren wurde Sexualkunde Pflichtfach an deutschen Schulen. Damals ging es vor allem um Verhütung und Schwangerschaft. Heute sind die Ansprüche an den Unterricht gestiegen. Jugendliche sollen auch über sexuelle Orientierung und sexuelle Identität aufgeklärt werden. Besonders auch über klugen Umgang mit Internet-Pornos und Nackt-Selfies.

Sexuelle Vielfalt ist selten Teil des Unterrichts. Die Deutschlehrerin Judith Ulmer ist daher etwas Besonderes. Sie ist Gender-Beauftragte am Hölderlin Gymnasium in Heidelberg. Eine bislang vermutlich einzigartige Funktion an deutschen Schulen. Ulmer spricht mit den SchülerInnen offen über ihre Homosexualität und über das Thema sexuelle Vielfalt allgemein. Das ist für die Lehrerin Teil moderner Sexualkunde:

„Man muss sich klar machen, dass jeder Zehnte betroffen ist, und dass das in keinster Weise eine ganz kleine Minorität ist, die da eine Rolle spielt, sondern dass das alltägliches Leben ist.“

Zu ihr kommen Schüler, die Angst haben, sich selbst zu outen. Oder Eltern, die nicht wissen, wie sie mit ihrem schwulen Sohn umgehen sollten. Kollegen fragen, wie sie ein Transgender-Kind im Unterricht am besten ansprechen sollten.

Sexualkunde ist das umstrittenste Schulfach. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung werden inzwischen fast hundert Prozent der Jugendlichen in Deutschland an den Schulen aufgeklärt.

Einigen Eltern passt die schulische Aufklärung allerdings gar nicht. Gerade über den Umgang mit sexueller Vielfalt an Schulen gibt es immer wieder Streit. In Baden-Württemberg gingen Tausende Eltern auf die Straße. Unter dem Titel „Demo für Alle“ protestierten sie gegen das, was sie Gender-Ideologie in deutschen Lehrplänen nennen. Sie warfen dem Kultusministerium außerdem vor, Kinder zu früh zu sexualisieren.

Ein Vorwurf, der bis heute im Raum steht, auch wenn er wissenschaftlich nicht haltbar ist. Da hilft wiederum nur Aufklärung weiter. Zentraler Bestandteil von Sexualerziehung ist die Selbstbestimmung. Der Sohn wird nicht Schwul weil er im Unterricht gelernt hat wie das geht. Er wird schwul weil ihm durch sein Wissen die Leiden des verkorkster Heteros erspart bleiben. Linkshändler werden heute doch auch nicht mehr gezwungen mit dem schönen Händchen ganz unschön mies zu schreiben.

Zu spät aufgeklärt, dafür aber gründlich,
Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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