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Rosa, Bio, Hape, alle schwul

homo.net Info vom 9. Dezember 2021
von Webmaster Jan

 

Vor 30 Jahren, am 10. Dezember 1991, schauten etwa 4 Millionen Deutsche die RTL-Krawallshow „Explosiv - der heiße Stuhl“. Das live Interview mit Rosa von Praunheim (79) schlug ein wie eine Bombe: Rosa outete zwei TV-Lieblinge als schwul. Danach war die Welt für Alfred Biolek (1934 - 2021) und Hape Kerkeling (seit heute 57) nie wieder so wie sie vorher war.

„Bio zum Beispiel ist unheimlich beliebt. Warum kann der nicht einfach sagen: ‚Ich bin schwul‘“, sagte Rosa über den Talkmaster von „Boulevard Bio“. „Hape hätte zum Beispiel eine Vorbildfunktion. Der ist jung, der ist hübsch, der ist ein Sympathieträger“, erklärte der Provokateur. „Doch öffentlich machen will er sich nicht.“

Moderator Ulrich Meyer (65) reagierte hilflos, doch zum Eingreifen war es zu spät. Die Sendung wurde live übertragen. Er musste den schwulen Provokateur gewähren lassen. Erst 20 Jahre später gestand Meyer: „Das war damals leider viel zu blauäugig von mir. Ich habe Alfred Biolek und Hape Kerkeling deshalb nie eine Erklärung aufgenötigt oder sie um Entschuldigung gebeten. Das war unverzeihlich.“

Die Bildzeitung gab sich heuchlerisch empört. Gigantisch große Buchstaben füllten ihre Titelseite: „Pfui, Rosa! Schwulen-Verrat im TV“. So verbreitete sie das skandalöse Outing endgültig bis in die hintersten Winkel der Republik.

1991 war Homosexualität in der deutschen Gesellschaft eines der großen Tabuthemen. Der Paragraf 175 war in Westdeutschland noch in Kraft. Es schien undenkbar, als Prominenter offen schwul zu leben. Schwule Gleichberechtigung lag in weiter ferne. Rosas Aktion löste eine gewaltige Diskussion aus und machte ihn zum Mittelpunkt der Kritik.

Einen Tag vor der explosiven Sendung rief Rosa bei Hape Kerkeling an und vergewisserte sich, dass der wirklich schwul ist. Hape zu Rosa: „Ich habe ihm gesagt, das veröffentliche ich, wenn ich es für richtig halte.“ Tags darauf erhielt Hape noch während der Sendung durch eine entsetzte Freundin telefonisch die Hiobsbotschaft. „Als Rosa meinen Namen nannte, war ich der Ohnmacht nahe.“

Ein Jahr später war sich Hape noch immer sicher: „Sensiblere Naturen als ich hätten sich in einer Kurzschlusshandlung womöglich mit dem Föhn in die Badewanne gelegt. Was soll‘s. Morgen werden sie eine andere Sau durchs Dorf treiben.“ Doch sein Publikum reagierte eher normal: „Sogar in der tiefsten bayerischen Provinz, wo ich kurz nach dem Outing auf Tournee war, bin ich nie dumm angequatscht worden. Es gibt in unserem Gewerbe so viele Untergrund-Schwule, die teilweise zur Tarnung in die Ehe geflüchtet sind. Ich kann nur jedem raten, sich nicht zu verstellen.“

2014 fiel seine Bewertung noch milder aus: „Damals war es nicht richtig, es zu tun. Aber aus heutiger Sicht war es nicht falsch.“ 30 Jahre später verkündigte er bei der Überreichung des Deutschen Fernsehpreises 2021: „Es hätte mir nichts Besseres passieren können.“ Seinen Ehrenpreis widmete er der LGBT-Community.

Auch Biolek war danach mit seiner Kochsendung „Alfredissimo“ erfolgreicher denn je. 2012 erklärte er in einem Interview, er habe das Zwangsouting als schmerzhaften Schlag empfunden, der ihn jedoch befreit hätte: „Es hat wehgetan, aber es hat die Verspannung gelöst.“

Wenn es um das Coming-out von Schwulen geht, heißt es häufig, das sei doch deren Privatsache, nach dem Motto: Was zu Hause im Bett geschieht, geht niemanden etwas an. Beispiele für diese Einstellung gibt es viele. Egal, ob bei der Bundeswehr, im Profi-Fußball oder beim Urlaub am persischen Golf. Doch sie ist falsch und antiquiert.

Auch Rosa musste seine Absichten erklären: „Mein Outing von schwulen Prominenten war ein Verzweiflungsschrei auf dem Höhepunkt der AIDS-Krise. Ich wusste, das war unanständig, aber ich musste damals eine Bombe werfen.“ Letztendlich erreichte er, was er wollte. Die Tabuisierung von Homosexualität in Deutschland ist Geschichte, sein explosives Interview von 1991 legendär:

„Ich wusste, was ich tat. Mit Biolek und Kerkeling habe ich keine hilflosen Wesen geoutet, sondern Sympathieträger, beliebte Narren der Gesellschaft, die niemand so leicht steinigen konnte. Wer wie Kerkeling und Biolek berühmt ist und zu einer Gruppe gehört, die diskriminiert, gemobbt und verprügelt wird, hat kein Privatleben im herkömmlichen Sinn. Sein Privatleben ist immer politisch.“

Schwule stehen in ihrem Leben immer wieder vor der Herausforderung, sich ihrer Umwelt mitzuteilen. Das fängt nicht erst beim Coming-out bei den Eltern an und endet noch lange nicht beim kollegialen Gespräch in der Kaffeepause. Wenn Du als neuer Mitarbeiter gefragt wird, wie Du das Wochenende mit Deiner Freundin verbracht hast, gibt es nur eine ehrliche und damit richtige Antwort. Es liegt dann an Dir sofort offen zu sagen, dass Du einen Partner hast, ohne Rücksicht auf die Folgen. Sonst kommt es unter Umständen zu einem jahrelangen Versteckspiel.

Die sexuelle Orientierung gehört zur Identität eines jeden Menschen. Ob auf Urlaubsfotos oder beim Kuss auf offener Straße, wir teilen ständig mit, was und wen wir lieben. Es geht keineswegs darum, was ihr im Schlafzimmer treibt. Das ist tatsächlich Privatsache. Besonders bei schwulen Prominenten ist es wichtig, die Wahrheit zu veröffentlichen. Sie sind Rollenmodelle insbesondere für jungen Menschen, die sich ihrer sexuellen Identität noch nicht sicher sind. Nur durch Offenheit gibt es Veränderung. Deshalb ist es wichtig, über sexuelle Orientierung zu sprechen. Sie ist keine Privatsache.

Der ehemalige österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz (35) wagte es nicht, seine Techtelmechtel öffentlich zu gestehen. Tausende von Schwanzbildern lassen grüßen. Jetzt musste er gehen, denn wer einmal lügt…

Besonders im Fußball haben auch heute noch Gerüchte über schwule Kicker großes Tuschelpotenzial. Wenn es die Ertappten abstreiten, wird das Getuschel nur umso größer. Eine absurde Situation.

Alle raus aus dem Schrank
Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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