Rosarot aus braunen Zeiten
homo.net Info vom 2. Mai 2019
von Webmaster Jan
Holger Mischwitzky, geborener Radtke alias Rosa von Praunheim drehte in 50 Jahren rund 150 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme. Er ist einer der wichtigsten Vorkämpfer für die Rechte von Homosexuellen. Inzwischen ist er 76, muss aber noch immer arbeiten um seine Miete zu bezahlen. Am 4. Mai wird er in Zürich für sein Lebenswerk geehrt.
Bei seinem Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ ahnte er zu Beginn noch nicht, welchen Aufschrei er auslösen würde. 1971 gedreht wurde der Film erst verboten und lief dann aber doch schon 1972 in ganz Deutschland im Fernsehen.
„Es war eben kein angepasster Film, der sagte, dass die Schwulen auch Menschen sind, die nett sind, und die man doch bitte akzeptieren soll. Stattdessen habe ich meine ganze Wut einfließen lassen auf die verklemmte und unpolitische schwule Subkultur in Westdeutschland. Das brachte mir viel Kritik aus den eigenen Reihen ein.“
Jahrtausendelang hofften Homosexuelle vergeblich, dass ihnen verziehen wird, wenn sie sich möglichst bürgerlich geben. Im 19. Jahrhundert war das Progressivste im Umgang mit Schwulen, dass man sie nicht mehr umbrachte, sondern ins Irrenhaus steckte.
„Wir müssen wachsam bleiben.“ meint der Regisseur. „Homophobie wird es immer geben, genauso wie Hass auf emanzipierte Frauen. Der Kampf für schwule Rechte hat wie die #MeToo-Bewegung dazu geführt, dass viele vorsichtiger geworden sind, bevor sie Angehörige von Minderheiten diskriminieren. Zumindest außerhalb der Anonymität des Internets.“
Praunheim ist quasi das Rosarote, das aus einer braunen Welt kommt. Er wurde während des Zweiten Weltkriegs im Zentralgefängnis von Riga geboren. Seine leibliche Mutter war dort inhaftiert, wahrscheinlich wegen Schwarzmarktgeschäften. Später haben Ärzte sie in einer psychiatrischen Anstalt absichtlich verhungern lassen. Erst mit 58 Jahren erfuhr Rosa, dass er gleich nach seiner Geburt adoptiert worden war.
Schwulenorganisationen verzeichnen regelmäßig Übergriffe auf Homosexuelle und Transmenschen. Das macht ihm Angst: „Mich bestürzt der Rechtsruck auf der Welt ganz generell. Wie der Ku-Klux-Klan oder andere rassistische Strömungen dank Trump plötzlich wieder frech werden. Es ist erschreckend, dass jemand, der dauernd lügt, noch so viel Anerkennung genießt. Das bedroht unsere Demokratien und alle liberalen Ideale. Wie kann jemand in der AfD sein? Das ist mir unbegreiflich. Das sind ja nicht nur blöde Leute, sondern auch Akademiker.“
Wir schließen uns dieser, seiner Meinung uneingeschränkt an. Um so mehr freut uns die Züricher Ehrung für sein Lebenswerkes.
Herzlichen Glückwunsch, Rosa,
Jan
Webmaster
vom homo.net Team