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Schwul sein ohne rosa Brille

homo.net Info vom 1. Dezember 2022
von Webmaster Jan

 

Diese Woche wurde der Film- und Theaterregisseur Rosa von Praunheim 80 Jahre alt. Seinem Künstlernamen zum Trotz hat er eine rosa Brille niemals getragen. Schonungslos zeigt er in bisher 157 Filmen sowohl den Homosexuellen als auch den Anderen, dass die einseitige Ausrichtung von Geschlechterrollen und Sexualität widersinnig ist.

Die einen lachen sich krank, andere ärgern sich zu Tode, wenn es um die Wurst geht, genauer gesagt um „Die Bettwurst“ von 1971. Ersteres ist gesünder.

Ein Fan schreibt: „Wahrscheinlich DER lustigste deutsche Film aller Zeiten, da kommen selbst Schneider, Schlingensief und Loriot nicht ran. Ein Meisterwerk.“

Ein anderer meint: „Nach sechs Minuten wäre ich bereit gewesen, mit einem Gewehr auf den Fernseher zu schießen. Nach 18 Minuten wäre ich bereit gewesen, das Haus niederzubrennen, nur um diesen Film nicht weiter gucken zu müssen. So einen Schrott habe ich schon lange nicht mehr gesehen.“ Trotzdem konnte er nicht davon lassen; er hat auch die Fortsetzung „Berliner Bettwurst“ (1975) geschaut, ohne zu schießen oder zu brennen.

Über 50 Jahre später provoziert Rosa von Praunheim (80) noch immer und inszeniert seine Bettwurst als Musical in der „Bar Jeder Vernunft“ in Berlin.

1971 von der Presse zum Kult- und Underground-Star des deutschen Films ausgerufen, blieb von Praunheim trotz kommerzieller Erfolge dem Kino außerhalb des Mainstream bis heute treu.

Sein neuster Film „Rex Gildo - Der letzte Tanz“ (2022) wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht Rosas letzte Tanz sein, zu dem er aufspielt. Noch immer ist er aktiv, als Aufklärer, Aktivist, Mahner. Hemmungslos legt er seine Finger in viele Wunden. Zu viele heimlich lebende Schwule kämpfen auch heute noch um ihr Coming-out. Manchem war Rosa von Praunheim dabei eine große Hilfe, wenn nach dem ersten Schock des öffentlichen Outings das Leben plötzlich einfach und normal wird, die eigene schwule Sexualität als etwas Selbstverständliches angenommen wird.

Für Rex Gildo kam diese Schützenhilfe 23 Jahre zu spät. 1999 beendete ein Sturz aus dem Fenster seiner Wohnung sein Leben voller falscher Vorgaben. Er hatte seine Homosexualität zeitlebens vor der Öffentlichkeit versteckt.

Rosa von Praunheims Filme sind eine in Deutschland überaus seltene Mischung aus künstlerischem Ideenreichtum, sozialkritischem Bewusstsein und Humor. Wollen wir hoffen, dass es noch viele weitere Filme und Aktionen gibt. Wie wäre es mit dem Outing deutscher Fußballprofis oder noch brisanter - vom Heißen Stuhl aus das weltöffentliche Outing katholischer Kardinäle, muslimischer Ajatollahs oder arabischer Scheichs?

Herzlichen Dank für Dein Lebenswerk, ohne das Deutschland und die Welt fraglos weniger schwul und frei wäre. Es wird solcher Art „Globale Erwärmung“ auch in Zukunft noch viel mehr gebraucht.

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Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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