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Alfredissimo Bio

homo.net Info vom 29. Juli 2021
von Webmaster Jan

 

Wer kannte ihn nicht, unseren Bio? Jetzt ist Alfred Biolek im Alter von 87 Jahren in Köln gestorben. Sein langjähriger schottischer Freund und Adoptivsohn Scott Ritchie (52) begleitete ihn bis zum Schluss. Für Biolek war er der wichtigste Mensch in seinem Leben.

Von Hause aus war er Anwalt wie sein Vater. Zum ZDF kam er als Jurist. Abends beim Wein erzählte er dort so viele Witze, dass ihn die Redakteure bald vor die Kamera holten. Dort wurde aus dem streng gescheitelten Dr. Alfred Biolek im dunklen Anzug ganz schnell unser Bio wie wir ihn kennen und lieben.

Der Vorreiter aller deutschen Talkshow und Kochsendungen hatte zeitlebens den Charme eines zerstreuten Professors. Die runde Brille, Karteikärtchen, an denen er sich vor der Kamera festhalten konnte, das stete Suchen nach Dingen und Zutaten, die vielen „Hms“ und „Ähs“, seine vielen abgebrochenen Sätze. Das ihm anhaftende Handicap, kaum einen Satz korrekt zu Ende sprechen zu können, hat er zum persönlichen Markenzeichen gemacht.

Sein Harmoniebedürfnis war grenzenlos. Die Eigenschaft, es grundsätzlich allen recht machen zu wollen, war der Garant für seinen Erfolg.

Mitte der 1960-er Jahre verliebte sich Biolek zum ersten Mal in einen Mann. Dann fiel im Schicksalsjahr 1969 der § 175 und Biolek brach radikal mit dem bürgerlichen Leben. Er kündigte beim ZDF, zog nach München, tauschte den dunklen Anzug gegen Pullover und Lederjacke und genoss die diskrete Bohème der heimlichen Hauptstadt. Endlich machte er seinem Versteck-Spiel ein Ende, lebte fortan offen schwul, besuchte einschlägige Lokale und zeigte sich „öffentlich mit jungen, gut aussehenden Männern“. Aber darüber sprach er nicht. Seine Homosexualität habe er zu keinem Zeitpunkt thematisiert, da dies damals gesellschaftlich noch nicht ohne Weiteres möglich gewesen sei.

Wenn er mit Hape Kerkeling (56) über dessen Beziehung redete oder die Einsamkeit des Karl Lagerfeld (1933-2019) thematisierte, nach dessen Verlust des geliebten Menschen, tat Bio das so diskret, dass nur die Eingeweihten Bescheid wussten. Alle anderen konnten sich denken, was sie wollten.

Auch seine Gesprächspartner wurde niemand gegrillt. Er legt Wert darauf, dass seine Gäste nur das erzählen, was sie wollen und unterschied bei sich und anderen peinlich genau zwischen „offen oder öffentlich“ und „privat oder persönlich“. „Bei uns in der Familie wurde auch über erlaubte Formen von Liebe und Sexualität nicht gesprochen.“ Seine Homosexualität sei sowieso absolutes Tabu gewesen. Deswegen habe er sie selbst auch lange verdrängt.

Schnell kochen konnte er nicht, das aber gaaanz toll. Er kochte alfredissimo! Da wurde in Echtzeit angebrannt und verbruzelt, halb gegart und verkocht was Herd und Ofen hergaben. Mit seinen Gästen schaffte er es selten, in 30 Minuten Gerichte zuzubereiten, für die sie daheim Stunden bräuchten. Aber das Ergebnis schmeckte immer phänomenal, selbst wenn es selten so aussah.

Wenn Alfredissimo Speisen und Getränke beschrieb, lief einem das Wasser im Munde zusammen. Einfach köstlich. Der Zuschauer wurde mit so viel Fachwissen von seiner Großmutter und Mutter sowie Starköchen aus aller Welt berieselt, dass jeder bessere Hobbykoch die einfachen Gerichte daheim mühelos nachkochen konnte. Wer sich dafür statt 30 Minuten etliche Stunden Zeit ließ, konnte tatsächlich die Gaumenkitzel erschaffen, von denen ihnen Bio und seine Gäste vorschwärmten.

Ein Tropfen in Ehren kann keiner verwehren. Kaum einer förderte den deutschen Alkoholkonsum so konsequent wie er. Ein guter (weißer) Tropfen war fast immer dabei.

Wenn ein Gast wie Hape Kerkeling ihm Schulter an Schulter reibend Rotwein servierte, kommentierte Bio das parallel mit: „Italienisches Wasser ist das beste. Doch jetzt gibt es auch sehr gutes Deutsches Wasser. Die haben nachgezogen.“ Und beim finalen Probieren seines allzu warmen, doch noch recht flüssigen Grießpuddings mit total verkochtem Rhabarberkompott: „Der Rote passt nicht ganz dazu, aber ein guter Wein passt zu allem.“ Die wenigsten wissen, dass er in seinen letzten Jahren abstinent wurde und nur noch alkoholfreien Wein trank. Das sollte sich rumsprechen.

Als Jürgen von der Lippe gar sündteuren Grünen Tee zu seinen asiatischen Gerichten servierte, brachte es unser Bio auf den Punkt: „Der Tee schmeckt nach gar nix, aber seeehr gut! Man muss die Situation immer retten und sie so wie sie ist.“ So war er. So wird er uns immer in Erinnerung bleiben.

Wir werden Dich nicht vergessen
Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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