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Diese Peniskäfige haben es in sich

Das Kreuz mit der Liebe

homo.net Info vom 22. September 2022
von Webmaster Jan

 

Extremer konnten die Reaktionen auf meinen letzten Blog kaum ausfallen. Von anerkennender Zustimmung über resignierende Hoffnungslosigkeit bis zu hasserfüllten Diffamierungen war diesmal alles dabei. Religion polarisiert. Oft hieß es, die sollen doch machen, was sie wollen, was geht uns das an, die können mich am Hobel blasen.

Wirklich?

In Singapur werden ab sofort schwule Männer nicht mehr wie Kriminelle behandelt. Opposition gegen die Legalisierung von Homosexualität kommt vor allem von der katholischen Kirche, aber auch von Vertretern anderer Religionen. Ein knappes Fünftel der Einwohner nennt sich Christen. 16 Prozent sind Muslime. Auch gegen ihren teils erbitterten Widerstand wurde der Paragraf 377 abgeschafft. Der machte seit Mitte des 19. Jahrhunderts Sex zwischen Männern zu einem Verbrechen.

Die Briten waren im 19. Jahrhundert sehr effizient bei der weltweiten Durchsetzung viktorianischer Moral. In Indien hatte der schwulenfeindliche Paragraf dieselbe Nummer 377, bis er vor vier Jahren abgeschafft wurde. Wer leistete dort Widerstand gegen die Legalisierung von Anal- und Oralverkehr? Natürlich die Kirchen.

Das benachbarte Malaysia ist vom Islam geprägt. Homosexuellen drohen dort bis zu 20 Jahre Haft und Schläge mit dem Stock. Daran wird sich so bald nichts ändern. Viele Malaien sind stolz auf ihre von der Religion geforderte Keuschheit. Sie betrachten Homosexualität als Import aus dem Westen und lehnen westliche Werte ab.

Europride findet seit 1992 jeden Sommer in einer anderen europäischen Stadt statt. Dieses Jahr wurde sie an Belgrad vergeben. Das löste Empörung bei radikalen Gruppen und Vertretern des politisch-orthodoxen Christentums aus. Priester, Hooligans und Rechtsextremisten demonstrierten mit Kreuzen, Ikonen und Fahnen gegen sexuelle Minderheiten. Patriarch Porfirije Perić (67) predigte, die Europride würde traditionelle Familienwerte bedrohen.

Vor einem Monat gab Präsident Aleksander Vučić (52) nach und sagte die Europride aus Sicherheitsgründen ab. Die angespannte Lage zum Nachbarland Kosovo mache das notwendig. Dabei hatte er übersehen, dass Ministerpräsidentin Ana Brnabić (46) offen mit ihrer Lebensgefährtin nebst dreijährigem Sohn zusammenlebt und mit der EU bei diesem Thema nicht mehr gut Kirschen essen ist. Der Druck auf den EU-Beitrittskandidaten Serbien wurde massiv erhöht, mit Konsequenzen wurde offen gedroht.

Buchstäblich in letzter Minute wurde deshalb eine kleinere Ausführung der Europride doch noch genehmigt. Der Innenminister und der Präsident behaupteten abwiegelnd in den Medien, es handele sich gar nicht um die Europride, sondern nur um einen Geleitzug zu einem Konzert. Viele EU-Abgeordnete nahmen an der Europride teil.

Auch der Queer-Beauftragte der Bundesregierung im Familienministerium, Sven Lehmann (42, Grüne) war dabei. Sein Bericht ist erschütternd: „Das war das Krasseste, was ich jemals in Sachen Pride und CSD erlebt habe. … Menschen standen am Straßenrand, haben uns Kreuze entgegengehalten und nationalistische Parolen gebrüllt.“

Er hatte sich anderen Mitgliedern der europäischen Diplomatie angeschlossen, als eine Horde aggressiver nationalistischer Hooligans die Polizeiabsperrung durchbrechen wollte. Eine Stunde dauerte der Straßenkampf. Ein massives Polizeiaufgebot verhinderte das Schlimmste. Nicht verhindern konnte die Polizei, dass eine Reporterin des Tagesspiegels niedergeschlagen wurde und Demonstranten nach einem Überfall von Rechtsextremisten ins Krankenhaus eingeliefert wurden.

Das Kreuz war immer mit dabei. 84,6 Prozent aller Serben bezeichnen sich als Christen. Die Mehrheit bekennt sich zur serbisch-orthodoxen Kirche. Ihre Vertreter waren empört, dass Europride in Belgrad stattfinden sollte und versuchten bis zum Schluss die Veranstaltung zu verhindern.

Wer in Deutschland aus der Kirche austreten möchte, wird derzeit mit einer langen Warteliste konfrontiert. Gehe stattdessen zum nächsten Notar. Der kann Deinen Austrittswunsch beglaubigen. Das kostet zwar etwas, ist aber viel billiger als die Kirchensteuer für den nächsten Monat.

Der Einfluss der Religionen ist weiterhin massiv. Nicht schwule Liebe, sondern das Zusammenschlagen von Demonstranten unter dem Kreuz bedroht traditionelle und moderne Familien. Wir werden wohl noch einige Jahrzehnte kämpfen müssen gegen die überholte viktorianische Moral, den religiösen Keuschheitswahn und den machtpolitischen Missbrauch staatlich legitimierter Homophobie.

Jede Liebe ist gottgewollt
Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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