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Fatales Denglisch
homo.net Info vom 23. Februar 2023
von Webmaster Jan
„Sex“ ist ein Fremdwort, denn mit einem scharfen s beginnt kein deutsches Wort. Auch Sport, Test, Trick, Party, Steak oder Toast meinte Goethe wohl nicht, als er verkündete: „In Deutschland sind die Fremdwörter wie die wilden Tiere, die man in einen Garten gesetzt hat: sie wuchern überall und ersticken die einheimischen Pflanzen.“ Überliefert in seinen Maximen und Reflexionen.
Cowboys würde im Western viel von ihrem Glamour verlieren, wenn wir sie Viehtreiber oder gar Kuhjungen nennen würden. Wer dagegen in einem „Gift Shop“ nach Arsen oder Strychnin fragt, begeht einen weniger peinlichen Fehler als der Geschäftsinhaber beim Benennen seines Ladens.
Anglizismen sind das Imponier-Deutsch für die woke Generation und solche, die sich dafür halten. Konservative bestellen „Kaffee zum Mitnehmen“. Wer sich stilistisch flotter ausdrücken möchte, nimmt den „to go“. Die besonders Flotten sprechen das wie „Togo“ aus, dabei hat dieses arme Land in Westafrika mit den völlig überteuerten „to go“ Plörren herzlich wenig zu tun.
Ein Deutscher im Homeoffice wäre in England keineswegs ein Heimarbeiter, sondern im Büro des britischen Innenministeriums tätig. Das Jobcenter verschleiert endgültig, dass sich schon das Arbeitsamt überwiegend mit der Hilfe für Arbeitslose beschäftigte.
An „Gay Community“ haben wir uns inzwischen gewöhnt, auch wenn Gemeinschaft, Gemeinwesen, Netzwerk, Allianz, Bündnis, Gesellschaft oder Kollektiv zu unserer sprachlichen Verfügung stünden, um schwules Leben mit allem zu füllen, was das englische Wort „gay“ ursprünglich einmal bedeutet hat: lustig, fröhlich, heiter, vergnügt, bunt, lebenslustig und unbekümmert.
Das Coming-out hat es inzwischen mit Recht in den Duden geschafft. „Bekenntnis zur eigenen Sexualität“, „Zu-sich-selbst-Stehen“, „Ehrlich sein über die eigene Sexualität“ - all das klingt eher steif und gestelzt. Da ist das Bild vom Schrank, aus dem wir rauskommen wollen, sollen, müssen, mit Coming-out so trefflich gewählt, dass wir es auf absehbare Zeit kaum durch einen deutschen Begriff ersetzen werden.
Ganz anders dagegen, wenn hierzulande in Kontaktanzeigen von „poz“ die Rede ist. Im Englischen wird „positive“ häufig zu „poz“ abgekürzt, so in der linearen Algebra, für elektrische Ladungen, für Kathoden, bei der Bewertung von Aktien, den Ergebnissen von diagnostischen Tests und vieles andere mehr. So wurde es auch zum Synonym für HIV-Positive.
Diese Assoziation fehlt uns Deutschen vollständig. Bei uns kam Pozzen überwiegend als die fixe Idee einer absichtlichen Infizierung mit dem HI-Virus auf. Laut deutscher AIDS-Hilfe gibt es keinen einzigen dokumentieren Fall einer solchen vorsätzlichen eigenen oder fremden Körperverletzung.
In schwulen Kontaktanzeigen und Foren wirkt der Begriff deshalb grob beleidigend. Er wird als legitime Mitteilung des eigenen HIV-Status kaum wahrgenommen oder allzu leicht missverstanden.
Wer seine Diagnose mitteilen möchte, sollte schlicht „HIV+“ oder „HIV-“ schreiben. Denn schon Goethe schrieb in einem Brief: „Die Sprache ist nicht dazu da, damit wir uns gegenseitig in den Ohren liegen, sondern damit wir einander verstehen.“
Wann haben wir aufgehört, Bitte und Danke zu sagen, Frauen die Tür aufzuhalten, Alten den Sitzplatz anzubieten? Der Ton in den Foren wird von Jahr zu Jahr rauer. Ungehobelt und obszön werden Unbekannte beleidigt, verhöhnt und verächtlich gemacht.
Täglich mussten wir Dutzende „Pozzer“ in allen Systemen löschen. Das ist jetzt vorbei. Wir haben das Wort endgültig der künstlichen Intelligenz zur 100 % Ausmerzung anvertraut. Denn in der deutschen Sprache gibt es die Buchstabenfolge „poz“ nicht.
Auf homo.net und gay-szene.net in Zukunft auch nicht mehr. Nur im Lexikon haben wir es zur Information, Aufklärung und Abschreckung belassen:
Seid nett zu einander
Jan
Webmaster
vom homo.net Team