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Sonny Boy Cruising
homo.net Info vom 24. Oktober 2024
von Webmaster Jan
Diese Woche erschien „Sonny Boy“, die Memoiren des Schauspielers Al Pachino (84). Darin enthüllt er fast 45 Jahre nach „Cruising“ (1980), dass er seine Gage für den Film an verschiedene Hilfs-Organisationen gespendet habe. Auch hätte er „Cruising“ schon bei seiner Premiere als ausbeuterisch für die schwule Welt empfunden.
Sonny Boy Al Pachino taucht 1980 als verdeckter Ermittler in die schwule SM-Szene New Yorks ein, um einen Serienkiller zu fassen, der in den 1970er Jahren schwule Männer in New York brutal ermordet hat. Ein Jahr später taucht in Kalifornien der erste AIDS-Fall unter jungen Schwulen auf, was die Lederszene vollständig verändert.
Der Film „Cruising“ ist somit auch ein historisches Dokument, zumal sich Regisseur William Friedkin (1935 - 2023) akribisch auf den Film vorbereitet hat: In Jockstraps cruiste er selbst durch die New Yorker Lederszene. Die Barszenen wurden von sich selbst spielenden Lederkerlen so realistisch dargestellt, dass man munkelte, es gäbe nicht X genug, um den Film zu X-raten.
Zwar ist kein einziger Penis zu sehen, dafür aber viel nackte Haut, blanke Ärsche, mit Crisco geschmierte Fäuste und ausgepeitschte Sklaven. Realistisch schamlos gibt sich die Szene ganz ihren Fetischen hin. Auch in den Mordszenen wird nicht mit Erotik und drastischer Gewalt gespart.
„Subliminale Schnitte“ sind so kurz, dass sie unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen und nur das Unterbewusstsein des Zuschauers beeinflussen, ohne dass er sie bewusst wahrnimmt. In den Mordszenen nutzt Regisseur Friedkin solche subliminalen Botschaften. Der Horror wird für den Betrachter ins Unerträgliche gesteigert. Der Exorzist (1973), Friedkins größter kommerzieller Erfolg, lässt grüßen.
Die subliminalen Schnitte und etliche weitere Szenen mussten herausgeschnitten werden, bevor der Film schließlich in die Kinos kam. Heute kursieren im Internet natürlich Versionen im originalen Directors Cut: Eine winzige schwule Minderheit bekennt sich offen zu ihrer extremen Sexualität und stellt diese hemmungslos zur Schau.
Viele Homosexuelle waren entsetzt, das unvorbereitete Publikum erst recht überfordert. Tausende schwule Männer gingen auf die Straße, um zu protestieren. Die öffentlichen Dreharbeiten störten sie mit Trillerpfeifen und Lichteffekten. Sie irrten sich jedoch in der Annahme, der Film stelle DIE Schwulen und ALLE Homosexuellen als sexsüchtige Monster dar.
Auch Al Pachino war vom Final Cut schockiert. Verstört stellte er fest, dass seine heterosexuelle Männlichkeit durch die wilden schwulen Erlebnisse am Set nicht nur den Charakter seiner Filmfigur drastisch verändert hatte. Auch im wirklichen Leben war seine heterosexuelle Männlichkeit nie mehr so wie vor dem gespielten schwulen Horrortrip.
Bereits 2013 hatte Regisseur Friedkin in einem Interview eingeräumt, dass „Cruising“ sicher nicht die beste Werbung für die damalige Schwulenbewegung gewesen sei. Ein schwulenfeindlicher Film sei es trotzdem nicht. Er habe keineswegs ein verzerrtes Bild des schwulen Lebensstils gezeichnet: „Ich war mir damals bewusst, dass Menschen, die sich für die Rechte von Homosexuellen einsetzen, mit einem so krassen Szenario nicht gut zurechtkommen würden“.
„Cruising“ ist auch heute noch hart und scharfkantig, ambivalent und damit mehrdeutig zu interpretieren. Auf jeden Fall zeigt der Film dokumentarisch, wie die schwule SM-Szene in New York vor AIDS gelebt und geliebt hat. Dafür lieben wir diesen Film.
Verstörend betörend
Jan
Webmaster
vom homo.net Team