Jans Blog abonnieren
Wenn Du Jans Blog wöchentlich lesen möchtest, kannst Du ihn hier abonnieren. Wir schicken Dir dann den homo.net Newsletter mit Jans Blog wöchentlich zu.
Voyeur im Park
homo.net Info vom 16. Januar 2025
von Webmaster Jan
Der bürgerliche Name des japanischen Fotografen mit dem Pseudonym Kōhei Yoshiyuki (1946 - 2022) ist nie bekannt geworden. Sein wohl bekanntestes Werk ist die Fotoserie „Park“ (1971-1979), die Paare beim nächtlichen Cruising zeigt.
Voyeurismus wird vor allem von Menschen in stark reglementierten, eigentumsorientierten Gesellschaften praktiziert. Er ist für Künstler ein wesentliches Thema.
In Japan war es in den 1970er Jahren illegal, sich in der Öffentlichkeit unsittlich zu verhalten. Es war illegal, im Park Sex zu haben. Es war illegal, Paare beim Sex im Park zu beobachten. Es war illegal, sie zu fotografieren. Es war auch illegal, diese Fotos zu zeigen oder zu verbreiten.
Nicht nur Schwule nutzten den Park zu nächtlichen Liebesspielen. Junge Paare lebten oft bis zu ihrer Heirat bei ihren Eltern. Der Park bot ihnen einen heimlichen Ort, an dem sie ihre Begierden ausleben konnten. Yoshiyuki fotografierte sie dabei, vor allem aber die Voyeure, die von den nächtlichen Szenen angelockt wurden. Dank Infrarotfilm und seinem speziellen Blitzgerät blieb er dabei von den Liebespaaren unbemerkt.
Allerdings musste er das Vertrauen der Voyeure gewinnen, die auch auf den Bildern zu sehen sind, wie sie sich an die Liebespaare heranschleichen und gelegentlich in die sexuelle Situation eingreifen. Solche Aufnahmen waren selten, aufregend und illegal.
Diese Mischung aus Erregung, Adrenalin, Angst und Lust ist so stark, dass sie buchstäblich im Bauch oder in den Eingeweiden spürbar wird. Der unanständige Nervenkitzel des Voyeurismus thematisiert sexuelle Freiheit und Fetisch, Privatsphäre und Überwachung sowie die dunklen, ungemütlichen Räume, in denen all das zusammenkommt.
Auf einigen Bildern starren Gruppen von vollständig bekleideter Männer auf sich umklammernde Paare, die sich ihres Publikums nicht bewusst sind. Auf anderen Bildern nehmen die Gaffer aktiver am Geschehen teil, indem sie ihre Hosen aufknöpfen oder so nah an die Liebenden herantreten, dass sie diese berühren. Die Themen von Yoshiyukis ikonischem Werk sind heute noch genauso aktuell wie in den 1970er Jahren.
In Yoshiyukis Fotografien stehen die Voyeure mehr im Vordergrund als die Liebespaare. Er stellte fest, dass „der Akt des Fotografierens selbst voyeuristisch ist“. Die erste Veröffentlichung der Serie fand 1979 in einer abgedunkelten Galerie statt. Die Bilder waren so groß gedruckt, dass die Motive lebensgroß erschienen. Die Betrachter mussten sie mit Taschenlampen erkunden. Yoshiyuki machte die Ausstellungsbesucher selbst zu Voyeuren.
„Ich wollte, dass sich die Leute die Körper auf den Fotos Zentimeter für Zentimeter ansehen“, sagte er 1980 in einem Interview mit seinem Fotografenkollegen Nobuyoshi Araki (84). Araki: „Nur Lüstlinge machen gute Fotos“. Dann fragte er Yoshiyuki: „Bist du auch einer?“ Yoshiyukis Antwort spiegelt die immer wieder verschwimmende Grenze zwischen Normalität und Verruchtheit wider, die er in seinen Bildern festhält: „Ich denke, ich bin ganz normal, aber ich glaube, in jedem steckt ein kleiner Lustmolch.“
In jüngster Zeit, in einer von #MeToo geprägten Ära, betonen Yoshiyukis Bilder das Unbehagen an unerwünschten Berührungen, wenn die sich umarmenden Liebenden im Dunkeln von den zuschauenden Männern betatscht und begrapscht werden. Die Bilder fangen die dreifache Überwachung ein: Die Gaffer, die die Liebenden beobachten, Yoshiyuki, der die Gaffer beobachtet, und die Betrachter, die all das anstarren. In einer Zeit, in der die Privatsphäre durch das Internet zu einem brisanten Thema geworden ist, sind diese Bilder so aktuell wie vor 50 Jahren bei ihrer illegalen Entstehung.
Yoshiyukis Fotografien aus dem Park thematisieren zeitlose menschliche Triebe, Verletzlichkeiten und Perversionen. Sie stellen unbequeme, aber notwendige Fragen: Was ist Freiheit und was überschreitet die Grenze?
Die Bilder aus dem Park findest Du hier: https://my-homo.net/news/DerPark.html
Spannendes Spannen
Jan
Webmaster
vom homo.net Team