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Konventionelle Homophobie

homo.net Info vom 8. April 2021
von Webmaster Jan

 

„Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ heißt die Istanbul-Konvention des Europarates offiziell. 2011 wurde die Konvention von 18 Ländern unterschrieben, fast alle der 47 Mitgliedsstaaten des Europarats folgten ihnen. Nur Russland und Aserbaidschan haben bis heute nicht unterschrieben.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan (67) hat jetzt per Dekret das Abkommen gekündigt. Der Präsident kam damit konservativen und islamistischen Kreisen entgegen. Diese hatten den Austritt mit der Begründung gefordert, die Übereinkunft schade der Einheit der Familie und fördere Scheidungen sowie Homosexualität.

Neben heftigen Protesten innerhalb der Türkei wurde der Austritt weltweit scharf kritisiert. Die USA, die EU und auch die Bundesregierung forderten eine Rücknahme der Kündigung. Menschenrechtler warnen: Durch den Ausstieg der Türkei würden sich frauenfeindliche sowie homo- und transphobe Gewalttäter ermutigt fühlen.

Die türkische Regierung begründet ihren Schritt mit dem Einfluss der Homosexuellen: Eine Gruppe an Menschen habe die Istanbul-Konvention, die eigentlich Frauenrechte fördern soll, praktisch gekapert, um Homosexualität zu normalisieren, schreibt Erdoğans Pressestelle. Das sei mit den sozialen Werten bezüglich der Familie nicht vereinbar. Darum habe man sich entschieden, aus der Konvention auszutreten.

Der türkische Theologe Ali Erbas (60), Chef der mächtigen Religionsbehörde Diyanet, predigte schon vor einem Jahr überdeutlich: „Der Islam betrachtet Unzucht als Sünde und verurteilt Homosexualität. Sie führt zu Krankheiten und treibt Generationen ins Verderben. Lasst uns gemeinsam vorgehen, um die Menschheit vor diesem Übel zu bewahren.“ Auch für die derzeitige Pandemie machte er Homosexualität verantwortlich. Selten hat ein Theologe größeren Blödsinn gepredigt. Wer erlöst uns von diesem Übel?

Die LGBT-Bewegung wird seit geraumer Zeit von der türkischen Regierung als Bedrohung gesehen. So erlaubte die Polizei am 8. März, dem Internationalen Frauentag, nach langem Tauziehen den Frauenmarsch. Alle Regenbogen-Fahnen waren aber ausdrücklich verboten. Trotzdem schwenken Demonstranten neben lila Fahnen immer öfter auch die Farben des Regenbogens.

Die Autokraten in Ankara verfolgen eine Agenda, die der freien Welt nicht egal sein kann. Sie ist durch die politische Biografie von Erdoğan allerdings gut zu erklären: Die Kommunalwahlen im Jahr 2004 gewann er auch damit, dass er sich zum „braunen Türken“ stilisierte. Er wolle die Vorherrschaft der „weißen Türken“, gemeint war die kemalistische, laizistische Elite in Militär und Politik, brechen. Ein starker Mann allein gegen das Establishment, für das Volk, gegen die Elite. Seit damals hat die Welt etliche Wiederholungen dieses populistischen Thrillers mit ansehen müssen, besonders auch in Polen und Ungarn.

Politiker wie Erdoğan, Andrzej Duda (48) oder Viktor Orbán (57) lehnen allerdings nur Eliten ab, die ihnen auf die Finger schauen, ihr falsches Handeln offenlegen und ahnden können. Ihre Justiz ist mit Lakaien besetzt, die Presse ausgeschaltet, Universitäten mundtot gemacht. Rechte für alle gibt es bei ihnen schon lange nicht mehr.

An die Stelle von nachvollziehbaren, offenen Prozessen, von Leistung und Können treten Nepotismus und Kleptomanie. Natürlich möchte man da nicht, dass es von außen Kontrollen gibt. Möglichkeiten zum Ändern des Handelns gezwungen zu werden, werden abgewehrt und außer Kraft gesetzt. Das ist auch der Grund, warum sich Polen und Ungarn gegen den Rechtsstaatsmechanismus der EU wehren.

Populisten wie Erdoğan, Duda oder Orbán können nur politisch existieren, indem sie ihren Wählern Feinde präsentieren, die sie zum Sündenbock machen als Ersatz für echte Politik. Schon hat Polen eine „Warschauer-Konvention“ angekündigt, die Abtreibung in allen Fällen sowie die Ehe für Homosexuelle verbieten soll. Lange wird es wohl nicht dauern, bis aus der Türkei und Ungarn weitere schlechte Nachrichten kommen werden. Denn das Rad der Ablehnung und der Verunglimpfungen muss sich immer weiterdrehen.

Wir dürfen dazu nicht schweigen
Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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