Jans Blog abonnieren
Wenn Du Jans Blog wöchentlich lesen möchtest, kannst Du ihn hier abonnieren. Wir schicken Dir dann den homo.net Newsletter mit Jans Blog wöchentlich zu.
Es war einmal Glasnost
homo.net Info vom 30. November 2023
von Webmaster Jan
Ungewöhnlich hoch war die Resonanz auf meinen letzten Newsletter, in dem ich den Kampf Russlands gegen eine nicht existente „Internationale LGBT-Bewegung“ beschrieb. Pro und Contra hielten sich in etwa die Waage, was mich geflissentlich erstaunte, denn die Interpretation dessen, was das neue Gesetz für Schwule in Russland bedeutet, sollte Demokraten nicht schwer fallen.
Erinnern wir uns. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre setzte Michail Gorbatschow (1931 - 2022) mit Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umbau) neue Akzente in der sowjetischen Politik. Sie führten insbesondere zur Abschaffung der Planwirtschaft und leiteten das Ende des Kalten Krieges ein. Dafür erhielt Gorbatschow 1990 den Friedensnobelpreis. An seiner Beerdigung nahmen weder Putin noch westliche Staats- und Regierungschefs teil.
Trotz großer politischer und gesellschaftlicher Veränderungen blieb Homosexualität auch in den Jahren der Öffnung ein Tabuthema. Es gab keine offizielle Anerkennung oder Unterstützung der Rechte von LGBT. In den Medien und der öffentlichen Diskussion wurden diese Themen vermieden oder abgelehnt.
Sein Nachfolger wurde bis 2008 Wladimir Putin (71). Putins erneute Rückkehr ins Präsidentenamt 2012 wurde von einer massiven Protestwelle überschattet. Die Protestaktionen richteten sich gegen die Abkehr vom Westen, kritisierten Wahlfälschungen und Repressionen. Eine massive Kampagne gegen „nichttraditionelle Werte“ war die Folge.
Damals begann Russlands perfider Kampf gegen LGBT mit dem Verbot von „homosexueller Propaganda gegenüber Minderjährigen“. Zehn Jahre später verbot ein weiteres Gesetz unter Androhung hoher Geldstrafen die Verbreitung jeglicher Informationen über Homo- und Transsexualität.
Künftig drohen neben Geldstrafen auch mehrjährige Haftstrafen. Aktivisten und Juristen bewerten die neue Situation als unklar und ungenau. Sie raten zum Beispiel, künftig keine Regenbogenflaggen und andere inkriminierte Symbole mehr zu zeigen. Für LGBT-Aktivisten steigen die Risiken deutlich. Einige werden in Zukunft ihre Aktivitäten einschränken, in den Untergrund gehen oder ganz aufhören.
Die Machthaber, allen voran Putin selbst, nutzen die Polemik gegen Schwule, um Russland als Hort „traditioneller Werte“ zu inszenieren. Am Tag der Ankündigung des neuen Gesetzes zelebrierte Putin beim Sankt Petersburger Kulturforum ein Frage-Antwort-Spiel, das ihn nicht nur als großen Geschichtskenner und Kunstliebhaber präsentierte, sondern perfiderweise auch als toleranten Staatsmann gegenüber Minderheiten feierte.
36 Seiten umfasst das Protokoll der Veranstaltung, die Russland als moralisches Bollwerk gegen die Dekadenz des Westens darstellt. Wer es vollständig gelesen hat, kann keinen Zweifel daran haben, dass jede gestellte Frage, jedes gesprochene Wort vorher minutiös geplant und abgesprochen war.
Ein serbischer Filmregisseur klagt: „Vor zwei Jahrzehnten haben uns die Globalisten kulturelle Vielfalt versprochen. Am Ende haben sie uns eine sexuelle ‚Vielfalt‘ beschert“.
Putin versicherte der Menge: Wenn man in westlichen Ländern Wettbewerbe gewinnen wolle, zum Beispiel einen Oscar, müsse man „etwas über das Leben von sexueller Minderheiten, Transgender oder anderer geschlechtlicher Anomalien, für die es viele verschiedene Namen gibt, erzählen, schreiben oder zeigen“.
Er fügte hinzu: „Aber ich möchte etwas Unerwartetes sagen. Auch diese Themen und diese Menschen haben ein Recht zu gewinnen, diese Geschichten sollten gezeigt und erzählt werden, denn auch das ist Teil der Gesellschaft. So leben die Menschen. Es ist falsch, wenn sie die einzigen sind, die alle möglichen Wettbewerbe gewinnen, das bringt nichts.“
Das ist nicht nur zynisch, sondern schlicht falsch, erstunken und erlogen, dass im Westen nur noch schwule Filme Oscars gewinnen. Zeitgleich mit Putins Show beim Kulturforum in Sankt Petersburger beantragte das Justizministerium in Moskau, eine nicht existente „Internationale LGBT-Bewegung“ zur extremistischen Organisation zu erklären.
Heute war es soweit. Der Oberste Gerichtshof ist dem Antrag des Justizministeriums gefolgt und hat die nicht existente „Internationale LGBT-Bewegung“ mit sofortiger Wirkung verboten. Schwule werden damit zum Freiwild behördlicher Willkür.
Mir fehlen die Worte
Jan
Webmaster
vom homo.net Team