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Liebe gegen staatliche Homophobie
homo.net Info vom 25. Juni 2020
von Webmaster Jan
Anfang 2019 stellte der liberale Warschauer Stadtpräsident Rafał Trzaskowski (48) eine Aufklärungskampagne zum Schutz sexueller Minderheiten vor. Selten ging Aufklärung so sehr daneben. Denn seither kommt Polen als LGBT-feindlichstes Land der EU nicht mehr aus den Schlagzeilen Europas raus. Ein Drittel Polens hat sich inzwischen zur LGBT-freien Zone erklärt. Städte und Gemeinden zeigen sich offen homo- und transfeindlich.
92,2 % der Polen glauben katholisch, haben aber ihre ganz eigene Auslegung von Thora und Bergpredigt. „Du sollst deinen Nächsten lieben und deine Feinde hassen“ hieß es noch in der jüdischen Thora. Und dann hielt Jesus die Bergpredigt und ändert radikal das in der Thora Gesagte: „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen“.
Für viele katholische Polen gilt die Bergpredigt allerdings nur, wenn der Nächste vom anderen Geschlecht ist. Schwulenhass ist salonfähig und Staatsreligion. Die Staatshomophobie wird unterstützt von der rechtsnationalen Regierungspartei und den Staatsmedien, angetrieben vom seit 2015 amtierende Präsident Andrzej Duda (48).
Seine Wahlversprechen für eine zweite Amtszeit klingen wie aus einer anderen Zeitepoche. Er will die Ehe als „Beziehung aus Mann und Frau verteidigen“, lehnt Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare ab, will Kinder besonders in den Schulen vor einer LGBT Ideologie schützen und Aufklärungsunterricht unter Strafe stellen. Besonders das Verbreiten von LGBT Ideologie in öffentlichen Institutionen will er verbieten lassen. In einer Wahlrede am 14. Juni 2020 bezeichnete Duda die LGBT Ideologie als zerstörerischer, als es der Kommunismus gewesen sei.
Wichtigster Gegenkandidat ist Rafał Trzaskowski. Seine Umfragewerte sind in den letzten Wochen so stark gestiegen, dass es am Sonntag für Duda wahrscheinlich nicht zur notwendigen, absoluten Mehrheit reichen wird. Es wird also wohl am 12. Juli zu einer Stichwahl kommen. Und dann sind möglicherweise schwule Wählerstimmen wahlentscheidend.
Robert Biedroń (44) ist der bekannteste offen homosexuell lebende Politiker Polens. Am 3. Februar 2019 gründete er die Partei „Frühling“. Schon bei der Europawahl 2019 konnte die über 6 % der Stimmen in Polen auf sich vereinen. Jetzt also sitzt der ehemalige Bürgermeister von Stolp für seine Frühlingspartei im Europäischen Parlament. In der polnischen Presse wird er als potenzieller, neuer Hoffnungsträger der politischen Linken in Polen gehandelt. Auch er will am kommenden Sonntag Präsident werden.
Das wird sicher nicht klappen, aber mehr als 10 % der Stimmen könnte er schon bekommen. Tatsächlich will er nur vernünftige Dinge. Im erzkatholischen Polen tritt Robert Biedroń für eine striktere Trennung von Kirche und Staat ein sowie die Anerkennung homosexueller Partnerschaften. Er will auch eine Grundrente und bis 2035 alle Kohlebergwerke schließen, drei Jahre schneller als Deutschland.
Viele europäische Städte und Gemeinden haben Partnergemeinden in Polen. Die stecken jetzt in der Zwickmühle. Offiziell müssen sie sich von Homophobie distanzieren, aber an Polens derzeitigem Wirtschaftswunder wollen sie schon partizipieren. Europäische Union, LSVD, ILGA und viele andere widersprechen deutlich dem polnischen LGBT Hass. Jetzt fangen Gemeinden im In- und Ausland an, ihre Städtepartnerschaften mit Polen aufzukündigen. Das ist der falsche Weg.
Eine Städtepartnerschaft ist schnell aufgekündigt, kann dann aber wohl niemals wieder aufgebaut werden. Auch eine Drohung mit der Kündigung ist ein zu bequemer Weg, denn sie bleibt ein einmaliger, symbolischer Akt ohne nachhaltige Wirkung.
Bei Homosexualität geht es in erster Linie um Liebe. Und die ist hier ganz besonders gefragt, mit oder ohne Bergpredigt. Was kannst Du also ganz persönlich jetzt, also heute noch, unternehmen?
Stelle fest, ob Deine Gemeinde eine Partnerschaft mit Polen hat. Wenn nicht, suche Dir selbst eine polnische Gemeinde aus. Gehört die zu dem Drittel LGBT-freien Zonen? Wenn nicht verhindert das Folgende auch, dass sie dazu wird:
Misch Dich in die Lokalpolitik ein. Besuche Deinen Bürgermeister oder Stadtrat. Wann fährt die nächste Delegation nach Polen oder kommt von da? Fahre mit oder gehe hin.
Welche LGBT Organisationen gibt es in Deiner Partnergemeinde? Nimm Kontakt auf und leite diese Kontakte an Deine Stadtvertreter weiter. Die müssen nicht nur bei ihrem nächsten Besuch polnische LGBT Organisationen aufsuchen, sondern auch polnische Delegationen zu schwulen Vereinigungen in Deutschland bringen.
Unsere sozialen Medien sorgen nicht nur erstklassig dafür, dass Du auch heute Abend nicht alleine schlafen musst, wenn Du nicht willst. Du kannst auch überall in Polen direkt cruisen. Nimm Kontakt auf. Frage die Betroffenen und deren Freunden aus und schicke Deinen persönlichen Bericht an die Lokalredaktion Deiner Tageszeitung. Die wird Deine Geschichte abdrucken und damit wiederum die Lokalpolitiker zu echten Handlungen anstacheln.
Je mehr Du Dich in Deiner Gemeinde engagierst und in der von Dir gewählten polnischen Partnergemeinde, desto schneller geht der Schwulenhass auch in Polen den Bach runter.
Liebe Deinen Nächsten,
Jan
Webmaster
vom homo.net Team