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Sprache sagt alles

homo.net Info vom 3. September 2020
von Webmaster Jan

 

An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen, die sozialen Gruppen. Ob Familien, Dorfgemeinschaft, Studenten, Nerds, Reiche, Künstler, Wissenschaftler oder Schwule, Gemeinschaften betonen ihre Zusammengehörigkeit gerne durch Besonderheiten der Sprache.

Fragt mal einen Hetero, was eine Klappe ist. Der hält seine Klappe maximal bei Filmaufnahmen. Unter Amphore stellt der sich einen römischen Krug vor, der nicht mal ordentlich alleine stehen kann und beim Glory Hole fällt ihm maximal „Glory, Glory, Halleluja“ ein. homolex.com ist voll von Begriffen, die jedem von uns geläufig sind. Für den weitaus größten Teil der Bevölkerung ist homolex.com aber eine Webseite mit sieben Siegeln.

Solange jeder unter seinesgleichen bleibt, gibt es kaum Verständigungsprobleme. Aber ein Gay ist nicht nur schwul und Mann. Er ist berufstätig, wohltätig, politisch, geht einkaufen oder sich verkaufen, hat eine Nationalität, ist jung oder alt, politisch korrekt oder eher nicht, ist weiß oder schwarz, gehört dem lokalen Gesangverein oder einer Schrebergartenkolonie an. So sickert homolex.com Slang in andere Sprachgemeinschaften ein und wir müssen von Fußballern lernen, was ein Einlaufkind ist. Das Wort steht tatsächlich im neuen Duden. Und es bedeutet nicht, dass sie Einlaufen wenn sie nass werden. Aber sie können natürlich nass werden, wenn sie einlaufen.

Diese Interaktion zwischen verschiedenen sozialen Gruppen ist der Hauptgrund, warum sich unsere Sprache wandelt, langsam, aber stetig. Daneben brauchen neue Dinge neue Namen. Altes gerät in Vergessenheit. Veränderungen in der Bedeutung führen zu Erweiterungen. Früher war Notebook lediglich der englische Begriff für Heft. Ein Wort kann sich verschlechtern. Im Mittelalter war noch jede Frau eine Dirne. Oder es verbessert sich rasant und wird gar zum Geusenwort, wenn aus dem ehemaligen Schimpfwort Homo ein übliches, positives Synonym für Schwuler, Urning oder Gay wird.

Für alle, die, wie der Duden, Geusenwörter nicht kennen, sie bezeichnen laut homolex.com Trotzwörter, die ursprünglich eine Personengruppe beschimpfen sollten, von dieser jedoch mit einer durchweg positiven Konnotation besetzt wurden. Homo, gay und schwul gehören natürlich seit den 1970-er Jahren dazu.

Im Mittelalter war jede Feier eine Hochzeit. Dann wurde daraus exklusiv die Eheschließung zwischen Mann und Frau. Inzwischen feiern wir Ehe für alle. Das bringt die ewig Gestrigen in Rage. Die neueste Auflage des Duden ist diesen Monat mit 3.000 neuen und ohne 300 alte Wörter erschienen. Er erklärt jetzt auch, was der oder die Cisgender, Regenbogenfamilien und Gendersternchen sind.

Das gehe zu weit, das sei unanständig, wettern die ganz Rechten im Lande. Sehr zu unrecht, denn sie sind mitschuldig daran, dass es zum Beispiel das Gendersternchen letztendlich doch in den Duden geschafft hat. 2018 wurde es noch ausdrücklich abgelehnt.

Die Dudenredaktion ist wohl nicht besonders glücklich über dieses im wahrsten Sinne des Wortes unsägliche Wortkonstrukt. Bei der Bedeutung schreibt sie noch recht neutral: „Verkleinerungsform zu Genderstern“. Die Verwendungsbeispiele sind schon kritischer. Da heißt es beispielsweise: „- das Gendersternchen nicht empfehlen“ und „- Kritik am Gendersternchen üben“.

Wieso kommt ein Wort, was vor zwei Jahren noch ausdrücklich abgelehnt wurde, jetzt doch zu Dudenehren? Wohl kaum, weil die Dudenreadaktion den ultra rechten Reaktionären politisch endlich eins auswischen will. Sprachwissenschaft ist unpolitisch. Die nehmen heutzutage einfach fünf Milliarden Wortphrasen aus den Veröffentlichungen der letzten 25 Jahre und werten diese statistisch aus.

Wenn der Bäckerjunge weniger als ein Mal pro Million Wortphrasen vorkommt, versinkt er im Orkus der Dudengeschichte. Schade ist es allemal um ihn. Unser tägliches Brot würde bedeutend besser schmecken, so es noch ganz viele Bäckerjungen gäbe. Der Duden kann dafür aber nichts. Und online bleibt er uns erhalten.

Wenn der Genderstern in den letzten Jahren von den Gleichstellungsgegnern massiv kritisiert und als nicht empfehlenswert abgelehnt wurde, sorgt auch dieser Diskurs dafür, dass er jetzt im Duden steht. Ätsch. Die Gendergegner hätten sich ja vorher informieren können, was es für Folgen hat, wenn sie ständig und in allen Medien Zeter und Mordio brüllen.

Im neusten Duden schmökern bildet. So weiß auch ich seit gestern endlich, dass die bald folgende Grußformel am Schluss nicht mehr wie früher mit einem Komma beendet wird. Ab heute also unten ohne. Der Duden beschreibt, wie die Allgemeinheit heute schreibt. Einen Zwang, ihm zu folgen, gibt es nicht, außer vielleicht für Schüler, falls diese doch noch Rechtschreiben lernen sollten. Und natürlich für die lieben Beamten.

Keiner kann mich heute daran hindern, allen Sprachmoden zum Trotz, Dich antiquiert zu verabschieden; so wie es ausdrücklich nicht mehr im Duden steht. Als solche Grüße vor Hunderten von Jahren üblich waren, galten sie als Zeichen der Ehrerbietung und hatten keineswegs mit Unterwürfigkeit zu tun. Das wäre dann auch nicht meine Art. Unangepasst, wie ich nun einmal bin, lasse ich das Komma danach trotzdem und freiwillig ab heute weg.

Ich küsse Ihnen 1.000 Mal die Hände und bin ewig dero treuester Freund
Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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