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Schwule Kommissare gesucht
homo.net Info vom 6. Mai 2021
von Webmaster Jan
Seit am Sonntag, den 29. November 1970 ein „Taxi nach Leipzig“ fuhr, gehört der sonntägliche Tatort zu Deutschland wie die Kehrwoche und die Spargelzeit. Realismus dient der Serie zur Abbildung der deutschen Gegenwart. Die bislang 1.166 Episoden sind ein filmischer Katalog von Wohnungseinrichtungen, Automodellen und Frisuren. Die älteste deutsche Fernsehserie hat immer wieder gesellschaftliche Konflikte, Vorurteile, Tabus und schwierige Themen in die deutschen Wohnzimmer transportiert. Nur schwul wurde bisher an keinem Tatort ermitteln.
Das Liebesleben der Ermittler spielt eine gewichtige Rolle, es wird selten langweilig. Affären sind keine Seltenheit, gelegentlich sogar mit dem Täter. Auch zwei bisexuelle Eskapaden konnten wir ausmachen. Was aber vollständig fehlt, sind homosexuelle Ermittler.
Nur in Münster läuten die Glocken gelegentlich anders. Ausgerechnet da, wo Deutschland am katholischsten ist, ermittelt das erfolgreichste Tatort Team gelegentlich auch mal andersrum. Letzten Sonntag schlugen die beiden mal wieder mal alle Rekorde und lockten mit „Rhythm & Love“ fast 15 Millionen Zuschauer live vor die Glotze.
Ihr 39. Fall führt Kommissar Frank Thiel, gespielt von Axel Prahl (61) und den Rechtsmediziner Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne gespielt von Jan Josef Liefers (56) in eine Hippie-Kommune. Die Kommunarden halten Monogamie für unnatürlich und pflegen Polyamorie kreuz und queer durch alle Betten. Freie Liebe gepaart mit Diskriminierung von Homosexualität haben natürlich mehr Sex-Appeal als ein Mord in einer Kleingartensiedlung.
Es geht los mit einem leibhaftigen, nackten Mann. Der wird sich nie wieder anziehen, denn nach gleich zwei Techtelmechteln in Großaufnahme liegt er erschlagen nackt im Wald und dann auf dem Seziertisch. Die Zeiten, wo so was diskret abgedeckt wurde, sind auch im deutschen Fernsehen endgültig vorbei. Bald taucht einer seiner schwulen Geliebten am Tatort auf, beruft sich als Priester auf das Beichtgeheimnis und lügt das Blaue vom Himmel herab.
Nikolai Kinski (44) mimt in seinem 3. Tatort den schwulen Priester so blass und farblos, dass man ohne die Besetzungsliste nie darauf gekommen wäre, er könnte der Sohn von Schauspielvulkan Klaus Kinski sein. Seine Schwester Nastassja Kinski (60) legte schon mit 15 Jahren im Tatort ihr „Reifezeugnis“ oben ohne ab und spaltete nicht nur damals die Nation in Entzückte und Entrüstete.
In Serien wie Tatort und Lindenstraße werden gesellschaftspolitische Themen häufig unterhaltsamer und emotionaler dargestellt als in politischen Magazinen oder der Tagesschau. Oft ist auch der Wunsch Vater des Drehbuchs. Wenn 43 % der Ermittler Frauen sind, ist diese Frauenquote genau so unrealistisch, wie wenn nie ein Kommissar Männer liebt.
Wenn mal jemand schwul im Sonntagskrimi sein darf, ist es ein verklemmter Priester, ein hochstapelnder Assistent oder ein reicher Erbonkel aus Amerika, dem Prof. Dr. Dr. Boerne mithilfe seines Kollegen Thiel schon vor 6 Jahren ein frisch getrautes schwules Ehepaar vorspielen durfte. In „Erkläre Chimäre!“ erfuhren wir so nicht nur hoch wissenschaftlich, dass Menschen im Blut körperfremdes Erbgut haben können, sondern auch ganz real, dass Schwule noch immer eher Mischwesen der griechischen Mythologie sind als gelebte deutsche Wirklichkeit.
Da nutzt auch nichts, dass die noch immer kettenrauchende Staatsanwältin Wilhelmine Klemm, gespielt von der tatsächlich in Münster geborenen Mechthild Großmann (72), in „Rhythm & Love“ besonders betont nebensächlich bemerken darf, dass die Homosexualität des Assistenten im 21. Jahrhundert nun wirklich keine Rolle mehr spielen würde. Es wäre so schon, wenn das wirklich Realität wäre und nicht nur erfundener Tatort Dialog.
Trotzdem bestens unterhalten
Jan
Webmaster
vom homo.net Team