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Junge Polen wehren sich gemeinsam
homo.net Info vom 8. August 2019
von Webmaster Jan
Polen hat Wirtschaftswunder. Es folgt 50 Jahre später dem deutschen Erfolgsrezept der 60er Jahre. Polen hat aber auch die katholische Kirche. Und die hängt der deutschen noch immer um 50 Jahre hinterher. „Die Menschen in Polen wissen, dass Gott den Sodomiten und ihren Verbündeten in Sodom nichts angetan hat.“ Na, das holen die jetzigen Kirchenbetreiber und Politiker aber gründlich nach.
In Polen heißt die stärkste Partei im Parlament „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS). EU-skeptisch, nationalkonservativ, christdemokratisch und rechtspopulistisch. In vielen polnischen Gemeinden, wo die PiS die Mehrheit hat, werden Resolutionen gegen „LGBT Ideologie“ beschlossen.
Klingt irre, ist aber eigentlich folgerichtig: Der Vorsitzender der Regierungspartei, Jarosław Kaczyński, spricht von der „LGBT Ideologie“ als einer Attacke auf die Familie. Sie bedrohe die polnische Identität, die Existenz der Nation und den polnischen Staat. Natürlich sei sie importiert. Woher sonst sollte sie auch kommen wenn nicht aus dem verkommenen Ausland.
Die rechtskonservative Zeitung Gazeta Polska legte einer ihrer Auflage Aufkleber mit der Aufschrift „LGBT-freie Zone“ bei. Das ging einem Gericht dann doch zu weit und untersagte die Verbreitung. Dann passen die einfach ihre Wortwahl an. Jetzt heißt es auf dem Aufkleber: „LGBT-Ideologiefreie Zone“.
In der polnischen Stadt Białystok wurde gerade der erste „Marsch der Gleichheit“ von Schlägern brutal auseinandergejagt.
Rechte Magazine warnen vor einem gewaltigen Angriff auf Polen. Auf einem Titelbild zielt eine Kugel in Regenbogenfarben auf den polnischen Adler. Daneben ist der Investor George Soros abgebildet. Der ist nicht nur schwer reich sondern investiert einen gewaltigen Teil seines gigantischen Reichtums in Demokratie.
Anfangs verteilt er Fotokopierer an Dissidenten im Ostblock, die sich gegen die Herrschaft der kommunistischen Politbüros auflehnen. Nach der Wende von 1989 fördert und finanziert er und seine „Open Society Foundation“ (OSF) ein dichtes Netz von Organisationen, die freie Medien, Rechtsstaatlichkeit und faire Wahlen zum Ziel haben.
Ob Antiapartheid-Bewegung in Südafrika oder Cannabis-Liberalisierung, Reform des Strafvollzugs, Schwulen- und Frauenbewegung oder Antirassismus, er finanziert das, was heute Zivilgesellschaft genannt wird. Seine OSF unterstützt besonders auch die Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Das alles macht in nicht nur in Polen zur Superheuschrecke, zum Staatsfeind Nr. 1.
„Ich bin keine Ideologie, ich will nur lieben.“ In Polen erzählen Menschen in sozialen Medien, dass sie homosexuell und ganz normale Menschen sind. Das ist eine hoffnungsvolle und zugleich erschütternde Kampagne. Überwiegend junge Polinnen und Polen erzählen unter #JestemLGBT (#IchBinLGBT) Banales von sich. Manche bleiben anonym, andere unterschreiben mit vollem Namen, fast alle mit Bild.
Da meldet sich „unsere freundliche Lesbe aus der Nachbarschaft“, kurz und knapp mit „Frieden und Liebe“ und ein wirklich süßer Typ schreibt: „Gay & müde, aber immer noch süß“. „Ich gebe das Bi in Bitch“.
Diese Menschen wollen zeigen, dass LGBT Mitglieder normale Menschen sind, die einen normalen Job haben und ein normales Leben führen. Sie versuchen schädliche Stereotypen und Überzeugungen zu stoppen, die von Homophoben verbreitet werden.
In Polen spülte das Interesse den Hashtag #JestemLGBT an erste Stelle der Trends. Million Menschen werden damit erreicht. Das ist erstaunlich für Selbstverständlichkeiten wie jene, dass man seinen Mann oder seine Frau liebt, einkaufen geht, studiert, kellnert, arbeitet, Hunde mag und gelegentlich in Bars geht.
Braucht es das? Warum wird sexuelle Orientierung in die Welt hinausgetragen? Was geht das Private die Öffentlichkeit an? In der besten aller Welten: nichts. Aber die Welt ist weit davon entfernt, die beste zu sein.
So lange Menschen aufgrund ihrer Homosexualität als „Pädophiler“, „Päderast“ und „Perversling“ diffamiert werden, so lange ein Mann Angst haben muss, mit seinem Freund auf der Straße Händchen zu halten, so lange LGBT als kultureller Kampfbegriff missbraucht wird, ist die sexuelle Orientierung weit davon entfernt, Privatsache zu sein.
Womöglich dürften sich die meisten Betroffenen nichts anderes wünschen, als so privat zu lieben wie Hetero Paare.
Auch #IchBinLGBT,
Jan
Webmaster
vom homo.net Team